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Deutsche klagen gegen Argentinien

Sieben Milliarden Euro halten Bundesbürger in argentinischen Anleihen. Die versprachen jahrelang hohe Renditen, und keiner kümmerte sich um die Risiken. Doch nun ist das Land pleite. Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz strebt Musterprozesse an

„Deutsche Familien verkaufen ihr Häuschen, weil sie keine Zinsen erhalten“

von KATHARINA KOUFEN

Die Pleite Argentiniens trifft auch mehrere hunderttausend Deutsche, die argentinische Staatsanleihen besitzen. Insgesamt sollen Anleihen im Wert von 7 Milliarden Euro in Deutschland verkauft worden sein, berichtet die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Die Papiere hätten heute nur noch 20 Prozent ihres Ausgabewerts. Die DSW setzt sich für die Rechte der deutschen Gläubiger ein.

Dabei will sie zwei Wege gehen: Juristisch strebt sie zwei Musterklagen vor einem deutschen Landgericht gegen den argentinischen Staat an. So sollen Ansprüche aus Anleihen geltend gemacht werden, deren Zinszahlung ausfielen oder die bei Fälligkeit nicht zurückgezahlt wurden. Politisch wollen die Anlegerschützer unter anderem das Finanzministerium dazu bewegen, „auf den argentinischen Staat Einfluss zu nehmen“.

Dort allerdings zeigt man wenig Mitleid: „Private Rendite ist privates Risiko“, so eine Sprecherin gestern zur taz. Immerhin erhielten die Anleger Renditen von 7 bis 12 Prozent für ihre Papiere – gut doppelt so viel wie für deutsche Staatsanleihen. Dabei klärt einen jede Bank darüber auf, dass hohe Renditen nur bei hohem Risiko gezahlt werden.

Die DSW widerspricht: Die „Hochprozenter“ seien den Anlegern damals auch von großen deutschen Banken als „sichere und lohnende Depotbeimischung“ ans Herz gelegt worden. DSW-Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker: „Die Anleger sind zu Recht erbost.“

Und sie sehen sich als Opfer: „Deutsche Rentner müssen Sozialhilfe beantragen, deutsche Familien ihr Häuschen verkaufen, weil sie die Zinsen argentinischer Staatsanleihen nicht mehr erhalten“, schreibt der Chef einer im Frühjahr gegründeten „Interessengemeinschaft Argentinien“ im Internet (www.ig-argentinien.org). Was übertrieben sein dürfte: Von den 5.000 argentiniengeschädigten DSW-Migliedern hat jeder im Durchschnitt 60.000 Euro in argentinische Anleihen gesteckt. Wer so hohe Summen sp riskant anlegt, hat gewöhnlich woanders seine Schäfchen im Trockenen. Und der typische Kleinanleger hält Argentinienpapiere nur als kleinen Anteil seiner Geldanlage.

Wenig wahrscheinlich ist allerdings auch der Erfolg einer solchen Klagen. Das sieht durchaus die Schutzgemeinschaft auch so: „Wir sind nicht so blauäugig, dass wir glauben, wir werden Geld erhalten“, so Ulrich Hocker. Aber mit einem Rechtstitel gegen Argentinien habe man man ein Druckmittel in künftigen Verhandlungen. Argentinien steckt derart in den Miesen, dass sogar der IWF letzten Monat einen Zahlungsaufschub gewährte. Wahrscheinlich wird in absehbarer Zeit eine Umschuldung vereinbart. Auch dann aber müssen zuerst die IWF-Schulden bedient werden. Die privaten Gläubiger sind zuletzt dran.

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