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Nach der Auflösung die Fusion

Die ökologischen Anbauverbände haben den „Bund der ökologischen Lebensmittelwirtschaft“ gegründet

Auch für die „Ökofraktion“ sind die Zeiten vorbei, als sie mit erhobenem Finger und scheinbar im Alleinbesitz des guten Gewissens auf ihre konventionell arbeitenden Kollegen zeigen durfte. So sorgte kürzlich eine organisatorische Veränderung in der Folge des Nitrofen-Skandals beim Dachverband der ökologisch arbeitenden Landwirtschaft für Wirbel: Nachdem notorisch wurde, dass Naturland von mit der Chemikalie Nitrofen verunreinigtem Futtermittel wusste, ohne zu handeln, zog der Anbauverband Gäa die Konsequenzen und verließ die Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (Agöl), in der Naturland ebenfalls Mitglied war.

„Mir dem Nitrofen-Skandal war das Tischtuch endgültig zerschnitten“, kommentiert Kornelie Blumenschein, Geschäftsführerin bei Gäa. Da schon Anfang 2001 die Schwergewichte Demeter und Bioland die Agöl verlassen hatten, war der Branchenverband damit endgültig am Ende.

Vor wenigen Wochen haben die Anbauverbände ein neues Dach geschaffen und den Bund der ökologischen Lebensmittelwirtschaft (Bölw) gegründet. Dieser vereint die alten Agöl-Mitglieder wieder, ist aber dennoch mehr als ein abgestandener Aufguss des Vorgängers. Denn der Bölw, dies die wesentliche Neuerung, steht auch Verarbeitern und Händlern offen, so dass die organisatorische Tiefe jetzt vom Acker bis zur Ladentheke reicht.

Auch die Arbeitsschwerpunkte haben sich verschoben. Während die Agöl in erster Linie nach innen arbeitete, indem sie sich beispielsweise um die Etablierung von ökologischen Standards in der landwirtschaftlichen Produktion kümmerte, soll der Bölw, so Verbandssprecher Thomas Dosch, „in starkem Maße agrarpolitisch tätig sein und nach außen wirken“. Politische Gespräche mit Brüssel und Berlin zur Durchsetzung ökologischer Positionen, so Dosch, stünden ganz oben auf der Bölw-Agenda.

Doch mit diesem Arbeitsprogramm tritt der Neuling in direkte Konkurrenz zum mächtigen Deutschen Bauernverband (DBV), der nach eigenen Angaben die Mehrzahl der ökologisch wirtschaftenden Bauern vertritt. Der DBV unterhält hierzu eigens einen Fachausschuss. Die Fronten scheinen klar abgesteckt. Dosch hält dem DBV vor, den ökologischen Zweig der Landwirtschaft in der Vergangenheit grob vernachlässigt zu haben und ihn neuerdings vereinnahmen zu wollen. Mit Schwarzweißmalerei versuche der DBV die Ökobranche auseinander zu dividieren. „Angesichts der Politik des Bauernverbandes müssen wir zusammenstehen“, so Dosch.

Die Reihen dicht geschlossen sieht auch Helge Amberg, Leiter des Referates Marktpolitik beim DBV: „Wir und nur wir sind der etablierte Verband, und nur wir können Türen in der Politik öffnen“, hält er dem Bölw entgegen. Schon während des Nitrofen-Skandals sei der DBV der einzige Dachverband gewesen, der für die Bauern eine echte Hilfe gewesen sei. „Wir haben gehandelt, die anderen getönt. Eine mögliche Zusammenarbeit mit dem Bölw beurteilt er zurückhaltend, denn „der Herr Dosch ist ein Problem“. Man mag sich offensichtlich nicht besonders, Gott sei Dank kennt Brüssel viele Türen.

Ungestört ist dagegen das Verhältnis der Bölw-Mitglieder zu Naturland, obwohl dieser Anbauverband maßgeblich zum Auseinanderbrechen der Agöl beitrug. Bei Gäa und Bioland heißt es übereinstimend, mit der Gründung des Bölw sei ein großartiger Neuanfang gelungen, der durch vergangene Auseinandersetzungen nicht belastet werden solle. Es wäre nicht gerechtfertigt, Naturland auszuschließen, so Gäa-Geschäftsführerin Kornelie Blumenschein, weil er nur „ein Glied in der Kette“ sei und zu bedeutsam, als dass man auf ihn verzichten könnte.

RICHARD ROMAN

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