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Paradies für Skater und Rollis

Im Fläming wird am kommenden Samstag Deutschlands größter Skater-Parcours eröffnet. Auf hundert Kilometern feinstem Asphalt können sportliche Kreaturen durch die Natur sausen. Wer im Skater-Hotel übernachtet, darf sogar ins Bett rollen

In den 90-Grad-Kurven bewahren Strohballen vor dem Schlimmsten

von TOM NIEMANN

Das neue Filetstück im Landkreis Teltow-Fläming ist 100 Kilometer lang, 3 Meter breit und mit feinstem Belag überzogen. 11 Millionen Euro hat der neue Wald- und Wiesenweg, der extra nur für Skater, Rad- und Rollstuhlfahrer angefertigt wurde, gekostet. Ein Mekka, das rollende Touristen aus ganz Europa auf die Spur bringen soll.

Auf dem Weg über die B 101 nach Kolzenburg sind wir allerdings noch skeptisch. Von wegen feinster Asphalt. Ganze 60 Kilometer nichts als Kopfsteinpflaster und Schlaglöcher. Das spricht nicht gerade für die Straßenbaukunst der Brandenburger. Kurz hinter Luckenwalde endlich das lang ersehnte Hinweisschild: „Fläming-Skate“. Am Parkplatz vor dem „Eichenkranz“ in Kolzenburg, einem der zahlreichen Zugänge zum neuen Parcours, sieht man an diesem warmen Sommertag schon einige Skater in Aktion. Erschöpft rollen einige von ihnen direkt von der Strecke auf die Bierterrasse.

Für uns geht es jetzt allerdings erst los. 12 Kilometer Rundkurs liegen vor uns. Also ab auf die Piste. Sie ist schnell und glatt und scheint uns förmlich anzusaugen und vorwärts zu jagen. Dabei können wir noch nicht einmal richtig bremsen. Die Räder summen auf der glatten Fahrbahn so leise, dass sie vom Zwitschern der Waldvögel und vom Klopfen der Spechte übertönt werden.

Nach ein paar Kilometern klappt es endlich auch mit dem Anhalten. Ab und an stoppen wir, um die Landschaft nicht nur wie Zuschauer im Kino wahrzunehmen. Kiefernwälder, eine Birkenallee, Sumpfwiesen, Pferdekoppeln, von Forstleuten aufgeschichtete Holzstöße sind die Kulissen des Films, der hier läuft. Wir haben die Strecke beinahe für uns allein. Hin und wieder zischen echte Könner an uns vorbei. Einer von ihnen ist schon ein alter Bekannter. Er hat uns bereits zum dritten Mal überrundet.

Für den verschlafen ländlichen Fläming ist die Skate-Strecke zweifellos auch ein Kulturschock. Im Sog des Skate-Mekkas sollen, so die Hoffnungen der Planer, künftig jedes Wochenende tausende Menschen anreisen, um über die Pisten zu jagen und dem Stress der Stadt zu entkommen. Was dem Skater, Radfahrer oder Wanderer als Paradies erscheinen mag, ist für den Kommunalpolitiker schlicht eine strukturschwache Region. „Mit teilweise weniger als 30 Einwohnern je Quadratkilometer zählt unsere Gegend zu den am dünnsten besiedelten Europas“, stellt Landrat Peer Giesecke die Relation klar. Auch hier soll das Allheilmittel Naturtourismus den wirtschaftlichen Aufschwung und damit auch Arbeitsplätze bringen. Doch ohne sich von anderen Regionen abzuheben, hat man keine Chance mehr; Fahrrad- und Wanderwege gibt es heute überall.

Ein Bekannter des Landrats, der nur zum Skaten nach Österreich fuhr, brachte Giesecke vor einigen Jahren auf die zündende Idee: „Warum zum Skaten so weit fahren? Wir bauen hier im Fläming die größte Skater-Bahn Deutschlands.“ Anfangs behandeln Landkreischef und die Handvoll Eingeweihter das Projekt wie eine Geheime Kommandosache: „Damit uns niemand die Idee klaut, stellten wir 1997 Förderanträge für Radwege“, sagt der Politiker über seinen gelungenen Coup. Erst 1999 gibt er die eigentliche Bestimmung bekannt – für Sympathisanten ein Geniestreich, für Kritiker eine Schnapsidee. „Viele meinten: Jetzt ist der Giesecke völlig durchgedreht. Asphalt durch den Wald zu legen: Was für eine Geldverschwendung.“

Als im Jahr 2000 den Straßenbaumaschinen die ersten Skater unmittelbar hinterherfahren, wird die öffentliche Meinung allerdings freundlicher. Der Deutsche Inline-Skate-Verband stellt der strukturschwachen Luckenwalder Region eine touristische Entwicklung in Aussicht, die vergleichbar sei mit dem Urlaubsgebiet Bayerischer Wald.

„Wir bekommen täglich Anfragen von Skate- Anhängern aus ganz Deutschland, wann es in Teltow-Fläming endlich los geht“, sagt Verbandschef Bernd Schicker. Er rechnet damit, dass jedes Jahr bis zu 50.000 Freizeitsportler über den Fläming-Skate rollen werden.

Rund 9 Millionen Anhänger der Sportart tummeln sich nach Schätzungen des Bundesverkehrsministeriums in Deutschland. Der Deutsche Inline-Skate-Verband spricht gar von 14 Millionen Skatern im Alter von 6 bis 90 Jahre. Vertreter jeder dieser Altersstufen trafen wir auch auf dem 12-Kilometer-Rundkurs bei Kolzenburg.

Wer allerdings glaubt, der Fläming-Skate wäre eine einzige Light-Version für Kinder ebenso wie für Rentner, der hat sich geschnitten. Familienfreundlich und knochenschonend geht es hauptsächlich auf den Streckenabschnitten zwischen Luckenwalde und Jüterbog zu.

Wer seine Tour dagegen im Ostteil des riesigen Skate-Ovals beginnt, der darf sich zwischen Ließen und Wahlsdorf auf eine „Schwarze Piste“ gefasst machen. Auf rund zehn Kilometern geht’s dort in engen Kurven bergauf, bergab durch dichte Kiefernwälder. In den zahlreichen 90-Grad-Kurven haben schützende Strohballen schon manch einen Kamikaze-Skater vor dem Schlimmsten bewahrt. Und wenn es doch mal zu einem Crash kommt, dann sind die Sani-Skater vom Deutschen Roten Kreuz schnell vor Ort.

Nun muss es nicht unbedingt ein Unfall sein, der den Fläming-Skater zum Aufgeben zwingt. Wer völlig erschöpft einfach nur zu seinem Auto zurück will, der ruft sich schlicht und einfach den Shuttle-Bus. So weit ist es bei uns zum Glück nicht gekommen. Die 12 Kilometer bei Kolzenburg sind für Anfänger gerade das richtige Maß. Nach diesem Tag steht uns allerdings der Sinn nach Fortsetzung. Warum also nicht gleich da bleiben? In Petkus wurde schließlich gerade Deutschlands erstes Skater- Hotel mit 47 Betten eröffnet. Über eine Rampe kann man ins Haus und, wenn man denn will, bis aufs Zimmer rollen. So weit, so gut, aber in Sachen Komfort bietet das Skater-Hotel eher Jugendherbergsstandard.

Für den kommenden Samstag werden nicht nur im Skater-Hotel reichlich Gäste erwartet. Schließlich soll dann die fertige Strecke im Beisein von Brandenburger Politprominenz in Petkus offiziell eröffnet werden. Im Endausbau wird das Skatodrom 170 Kilometer lang sein. Die Planer denken aber bereits weiter – durch Querschnitte könnte ein regelrechtes Netz von Wegen entstehen. Bis dahin werden wohl auch wir mehr als 12 Kilometer an einem Tag schaffen.

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