: Warten auf den großen Fischzug
Crossover aus Barcelona: Die katalanische Band Macaco geht mit DJ Wagner Pá auf eine kurze Deutschlandtournee. Auf den zugezogenen Erfolgsact Manu Chao sind die Musiker jedoch nicht so gut zu sprechen – vielleicht weil auch sie ihr Publikum im Kreis der Globalisierungsgegner finden dürften
von DANIEL BAX
Die großen Musikkonzerne gelten als Motoren der popkulturellen Globalisierung. Nicht nur, weil sie dafür sorgen, dass Madonna, U2, Britney Spears und Kylie Minogue noch im entlegensten Winkel dieses Planeten Einzug halten. Auch sind sie mit lokalen Dependancen in praktisch allen Regionen der Welt vertreten, nehmen vor Ort lokale Künstler unter Vertrag und verfügen über die Mittel, diesen auch eine internationale Karriere zu eröffnen. Vorausgesetzt, die Strategen am Schreibtisch sehen in ihren Schützlingen dafür eine reelle Chance, ein „Crossover-Potenzial“. Meistens aber sind sie eher skeptisch: Dann sehen sie davon ab, die Alben ihrer Künstler überhaupt im Ausland zu veröffentlichen.
Macaco sind so ein Fall. Zwar kommt die Band dieser Tage erstmals für eine Kurztournee nach Deutschland, doch ihre Alben sucht man hierzulande noch immer vergeblich in den Plattenläden. Dabei besitzt die Band aus Barcelona eigentlich die besten Voraussetzungen, um weltweit Gefallen zu finden: Ihr aus Rumba und Reggae, aus HipHop und Latin-Dub gerührter Molotowcocktail steht für einen neuen und radikal offenen Sound der Vermischung, an den man von vielen Seiten andocken kann und der niemanden außen vor lässt.
Vor fünf Jahren ist die Band aus einem improvisierten Sound System hervorgegangen. Heute ist die Gruppe um ihren Mastermind Dani Macaco zum Gravitationszentrum einer katalanischen Alternativszene gewachsen, die einst in besetzten Häusern und Bars wie dem „Bahia“, einem freakigen Traveller- und Dropout-Treffpunkt in Barcelonas Barrio Gotico, ihren Ausgang nahm. Außerdem verfolgt Dani Macaco jetzt mit der Band Ojos de Brujos noch ein Nebenprojekt, das Flamenco mit HipHop koppelt, und ist auch als Produzent viel gefragt. Zu seinen Freunden zählt auch der brasilianische DJ Wagner Pá, der seine poetischen Gedanken zu melancholischen Dub-Collagen mischt. Angesichts dieses Potenzials wird die spanische Hafenstadt am Mittelmeer unter weltmusikalischen Trendscouts inzwischen hoch gehandelt.
Ein Vorbote der stilistischen Promenadenmischungen aus Barcelona war Manu Chao. Doch auch dessen Wege nach Deutschland waren bekanntlich einst verschlungen. Noch heute erzählt man sich in einschlägigen Kreisen ungläubig, wie die deutsche Zweigstelle des Plattenkonzerns Virgin sich zunächst sträubte, das erste Album des Wahlspaniers und Weltenbummlers, den die französische Schwesterkompanie unter Vertrag genommen hatte, überhaupt zu betreuen: Man wollte darin „kein kommerzielles Potenzial“ erkennen.
Gerade mal als Import-CD kam das Debüt „Clandestino“ damals hierzulande in die Läden, ohne jede Werbung, doch das Album fand auch so mit der Zeit immer mehr Hörer. Am Ende wunderte man sich bei Virgin, dass Manu Chao unerwartet zum Bestseller avanciert war: ein Erfolg der Mundpropaganda. Rasch reichte man einen Videoclip nach und schickte Radiosendern eine Single. Inzwischen ist man auch in der deutschen Virgin-Zentrale in München stolz auf den ungewollten Sohn, der sich als Goldjunge entpuppt hat.
Nicht so gut zu sprechen auf Manu Chao ist man dagegen in Barcelona. Mag sein, dass dabei der Neid auf den weltweiten Erfolg des aus Paris Zugereisten mitschwingt. Schließlich ringt man selbst noch um internationale Aufmerksamkeit. Gut möglich aber auch, dass dem rastlosen Globetrotter und Troubadour der Globalisierungskritik auf seinen vielen Konzertreisen ein wenig die Bodenhaftung zu den Straßen Barcelonas verloren gegangen ist. Dabei profitieren selbst die kritischen Kollegen in Barcelona vom Ruf des Manu Chao, fällt sein Ruhm doch durchaus auch auf sie zurück.
Den Eindruck aber, sich lediglich im Fahrwasser ihres berühmten Kollegen zu bewegen, möchten sie nach Kräften vermeiden. Mit gutem Grund, denn die Vielseitigkeit von Bands wie Macaco weist sie als Künstler nach eigenem Recht aus: Auf ihrem neuen Album „Rumbo Submarino“ etwa haben sie mit der afrikanischen Reggaeband Toure Kunda und dem brasilianischem Funk-Rocker Lenine zusammengearbeitet – und David Byrne hat einmal eines ihrer Stücke mit einem Remix veredelt. Das beschreibt in etwa das Koordinatensystem, in dem sich Macaco bewegen, und die Spannbreite ihres Aktionsradius.
Ihre Songs sind wie Überraschungseier, deren Inhalt aus ganz verschiedenen Versatzstücken besteht, aber mit beiläufigem Können zu gefälligen Miniaturen zusammengesetzt werden kann. Mit ihrem Albumtitel „Rumba Submarino“ greifen sie zurück auf das Motiv von der Welt als großem Unterseeboot, wie es die Beatles einst prägten: ein U-Boot auf transglobalem Zickzackkurs, natürlich.
Manager von Macaco war einst übrigens Wagner Pá, bevor er sich auf eine eigene Musikerlaufbahn besann. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass der brasilianische DJ und Songwriter bislang der Einzige aus Barcelonas buntem Künstlerhaufen ist, der auch bei einer deutschen Plattenfirma eine Heimat gefunden hat, die nun sein Album „Brazuca Matraca“ auch hierzulande vertreibt.
Um die Songs seiner Kollegen zu hören, bleibt dem interessierten Publikum hierzulande nur, im großen Meer des Internets zu fischen und sich die einzelnen Titel so an Land zu ziehen. Dass die Plattenfirmen daran nichts verdienen, wie sie immer so gerne klagen, haben sie sich allerdings selbst zuzuschreiben.
Macaco & Wagner Pá: 18. 8.: Köln ( Tanzbrunnen); 19. 8.: Berlin (Haus der Kulturen)
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