: Präziser Dokumentarist
Die Lebensbedingungen der niederen Schichten zu Anfang des 18. Jahrhunderts zum Gegenstand detailreicher Bildgeschichten gemacht: Vier Kupferstichserien von William Hogarth in der Kunsthalle
Deutlich setzte der Maler und Kupferstecher William Hogarth ein äußerlich sichtbares Zeichen des Sittenverfalls: Die schwarzen Punkte, die die Gesichter seiner Figuren zieren, sind Folgen der Syphilis. Mit einer Fülle an Details, humorvoll und moralisch belehrend, schildert der kritische Dokumentarist Hogarth die liederlichen Sitten seiner Zeitgenossen zu Beginn des 18. Jahrhunderts. In der Kunsthalle sind die vier berühmtesten Kupferstichfolgen zu betrachten, die Hogarth Ruhm und finanziellen Erfolg brachten.
Von der Serie „A Harlot‘s Progress“ verkaufte er 1732 in London eine Auflage von 1200 Stück, zahlreiche Raub- und Nachdrucke verbreiteten sein Ansehen. Auf sechs Blättern führt er plakativ das Schicksal eines Mädchens vom Lande vor, das unter falschen Versprechungen in die Großstadt gelockt wurde und gleich bei seiner Ankunft in die liebevolle Obhut einer Kupplerin gelangt. Der gesellschaftliche Aufstieg scheint mit einem reichen Liebhaber gelungen, da zeigen sich auch bei ihr die gefürchteten Flecken. Ihr sozialer und körperlicher Niedergang geht schnell dem Tode zu – auf drei Blättern.
Hogarths moral pictures unterhalten, belehren und amüsieren. Wenn auch überspitzt, sind es Schilderungen des Alltagslebens der bis dato in der Kunst nicht erwähnten niederen sozialen Schichten Londons – und zynische Betrachtungen des degenerierten Lebenswandels des Adels. Auf dem letzten Blatt der Serie „Marriage à la mode“ von 1745 hat die junge Ehefrau sich gerade vergiftet und ihrem geldgierigen Vater fällt nichts Besseres ein, als ihr den Schmuck von den Fingern zu ziehen. Dies nutzt der abgemagerte Hund des Hauses, um sich das auf dem Tisch stehende Frühstück einzuverleiben. Ganz, wie man so sagt, wie im echten Leben! Lisa Monk
bis 17. November, Kunsthalle, Hegewisch-Kabinett
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen