: Professor mit guten Siegeschancen
Miroljub Labus, jugoslawischer Vizeregierungschef, wird bei den serbischen Präsidentenwahlen von DOS unterstützt
Einen Monat vor den Präsidentenwahlen in Serbien begann einer der aussichtsreichsten Anwärter, Miroljub Labus, seinen Wahlkampf auf eine für dieses Land ungewöhnliche Weise. Zum Auftakt gab es keine Massenveranstaltung, sondern der Kandidat verteilte im Belgrader Stadtzentrum sein Programm persönlich. Er will keine Schlammschlacht, sondern nur erklären, was er besser machen will.
Labus kann sich, was Angriffe auf Mitbewerber angeht, auf andere verlassen. Serbiens Ministerpräsident, Zoran Djindjić, dessen Parteienbündnis DOS Labus unterstützt, will den Job machen. Djindjić war auch der Steigbügelhalter für Vojislav Koštunica, der zaudert, ob er den unsicheren Sessel des jugoslawischen Päsidenten räumen soll, um serbischer Präsident zu werden.
Miroljub Labus, 55, wurde im zentralserbischen Dorf Mala Kršna geboren. Das ist ein Vorteil bei ländlichen Wählern. Noch besser der Zufall, dass sich während des Zweiten Weltkriegs im Haus seines Großvaters heimlich sowohl Tito als auch, zu einem anderen Zeitpunkt, der mit Hitler-Deutschland kollaborierende Tschetnikführer Dragoljub Mihajlović aufgehalten haben.
Labus hat in Belgrad Rechtswissenschaften studiert, danach an der Fakultät für Volkswirtschaft promoviert. Seit 1971 ist er Professor an der juristischen Fakultät in Belgrad, einige Jahre lang war er im Rahmen des Fullbright-Programms Gastprofessor in den USA.
Mit Zoran Djindjić war Labus Mitbegründer der Demokratischen Partei, eine Zeit lang ihr Vizepräsident. Als Präsidentschaftskandidaten ließ er sich jedoch von einer Gruppe angesehener Bürger vorschlagen. Damit wollte er das negative Image vermeiden, das Serbiens Regierung nach 500 Tagen anhaftet.
Labus war auch Mitbegründer der wichtigen Expertengruppe „G 17“. Nach dem Sturz von Slobodan Milošević wurde Labus Vizepräsident der jugoslawischen Bundesregierung. Er hat die Verhandlungen mit internationalen Organisationen, dem Währungsfonds und der Weltbank geführt, es gilt als sein Verdienst, dass Belgrad so schnell den Anschluss an die westliche Welt gefunden hat. Er war es auch, der die Entscheidung über die Auslieferung von Milošević an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag unterzeichnete. Labus, mit gepflegtem Vollbart und einer etwas näselnden, professoralen Stimme, wirkt wie ein etwas zarter Mensch, den man sich nur schwer als feurigen Redner auf einer Massenkundgebung vorstellen kann. Werden die Serben einen solchen Mann wählen?
Die Prognosen sind derzeit gut, die letzten Umfragen geben ihm einen Vorsprung vor dem populären Koštunica; 26 Prozent wollen Labus, 23 Prozent Koštunica wählen, die übrigen Stimmen verteilen sich auf viele Mitbewerber. Über ein Drittel der Wahlberechtigten hat sich noch nicht entschieden oder will nicht an den Wahlen teilnehmen.
Falls Koštunica den Kampf um den serbischen Präsidentensessel aufnimmt, kommt es zwischen zwei Professoren, dem reformfreudigen, prowestlichen Labus und dem nationalen Romantiker und Legalisten Koštunica, zu einem aufregenden Ringen. Es wird kein Kampf auf Leben und Tod sein wie vor zwei Jahren, als es um den Sturz von Milošević ging, aber um die Entscheidung, welchen Weg Serbien in den nächsten Jahren gehen will. IVAN IVANJI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen