: Gaza und Bethlehem zuerst
Israel und Palästinenser einigen sich auf einen Waffenstillstand in mehreren Phasen. Verteidigungsminister Ben-Elieser kann einen Erfolg gut gebrauchen, denn in seiner Partei bekommt er Druck von links. Auch international wächst die Kritik
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Vorläufig ist weder von einem israelischen Truppenabzug noch von Verhaftungen mutmaßlicher Attentäter durch palästinensische Sicherheitsbeamte die Rede. Doch zumindest einigten sich Israels Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser und der neue palästinensische Innenminister Abdel Rasak Jehije grundsätzlich auf einen Stufenplan zur Wiedereinführung der palästinensischen Kontrolle über zunächst Bethlehem und den Gaza-Streifen. Die islamisch-fundamentalistischen Widerstandsbewegungen Hamas und Islamischer Dschihad lehnten die Vereinbarung ab und kündigten eine Fortsetzung der Gewalt an.
Die vereinbarte, eher vage Klausel verlangt von den Palästinensern, in erster Stufe eine „Beruhigung der Sicherheitslage“ herbeizuführen sowie eine „Verminderung von Gewalt- und Terroraktivitäten“. Die Einigung war möglich, nachdem die palästinensische Seite auf ihre anfängliche Bedingung eines einseitigen Truppenabzuges aus allen palästinensischen Städten verzichtete. Stattdessen ist die israelische Armee zunächst nur zu einem Teilrückzug sowie zu der Aufhebung der Ausgangssperren und Blockaden verpflichtet. Die Umsetzung erfolgt vermutlich innerhalb einiger Tage.
Ben-Elieser, der die Initiative für den Plan „Gaza und Bethlehem zuerst“ auf israelischer Seite vorantrieb, gab sich im Anschluss an das Treffen am Sonntagabend optimistisch. Die Palästinenser seien „offener und ernster“ gewesen als in der Vergangenheit, meinte er. Tatsächlich sind es die Israelis, die in diesen Tagen zunehmend unter internationalen Druck geraten. Nach der Veröffentlichung eines ersten Berichts über eine drohende Hungerkatastrophe im Gaza-Streifen drängte diese Woche auch Katherine Britney, UN-Generalsekretärin für humanitäre Hilfe, auf ein sofortiges Ende der Blockaden und Ausreisesperren. Nicht nur für die Bevölkerung seien die Reisesperren unerträglich, sondern auch die NGOs könnten unter den gegebenen Umständen kaum ihrer Arbeit nachkommen. Die UNO erwägt offenbar die Vergabe von Nahrungsmittelkarten an die notleidende Bevölkerung.
Für den israelischen Verteidigungsminister würde ein Gelingen des geplanten stufenweisen Waffenstillstandes zweifellos eine Stärkung seines innerparteilichen Standes zur Folge haben, die er dringend benötigt. Erst vor wenigen Tagen kündigte Awram Mizna, Bürgermeister der Stadt Haifa, seine Kandidatur bei den Wahlen um den Parteivorsitz im November an. Mizna gehört zum Linksaußen-Lager der Arbeitspartei und wird auch auf palästinensischer Seite als potenzieller Gesprächspartner geschätzt. Die steigende Popularität Miznas beweise, dass es „in Israel noch Menschen gibt, die an einen Dialog und an Frieden glauben“, kommentierte der palästinensische Informationsminister Jassir Abed Rabbo. Ben-Elieser sorgt zudem der Rücktritt einiger führender Mitglieder der Partei, die aus Protest gegen die Koalition ihre Posten in der Regierung und im Abgeordnetenhaus verließen.
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