Opfer des Erfolgs

Der FC St. Pauli entlässt mit Dietmar Demuth einen Trainer, der aus der Vergangenheit kam und in die Zukunft wollte

von OKE GÖTTLICH

„Da gibt es genug Schauspieler unter den Trainern, auf die Vereine immer wieder hereinfallen, nur weil sie Schlips tragen“, wusste der gelernte Starkstromelektriker Dietmar Demuth bereits, als er selbst noch nicht als Cheftrainer des FC St. Pauli vorgesehen war. Als Co-Trainer des inzwischen bei der Eintracht angestellten Willi Reimann kam Demuth 1999 wie heute nicht in die Verlegenheit, als Blender geoutet zu werden. Er blieb Handwerker, ein aufrichtiger dazu (“Wenn man zu viel über Systeme sabbelt, wird es kompliziert“). Den Eindruck, Demuth würde sich mediengerecht in einem Repertoire an Emotionen bedienen können, hatte man bei dem bodenständigen St. Pauli-Urgestein nie. Daher wurde er geliebt. Mehr von den Fans als von den Spielern, aber der überraschende Erfolg gab ihm recht.

Der mit netten Zitaten gespickte Aufstieg in die 1. Bundesliga (“Man muss versuchen, den Gegner durch permanentes Toreschießen zu zermürben“) brachte ihm Sympathien ein, die selbst in der Chefetage mit uneingeschränkter Solidarität belohnt wurde. „Selbst wenn wir 34 Spiele in der Bundesliga verlieren, bleibt Dietmar Demuth unser Trainer“, sagte St. Paulis Präsident Reenald Koch einst. Demuth arbeitete dran, dass ihm dieser Spruch aus erfolgreichen Zeiten nicht zum Verhängnis werden sollte.

Der Erfolgsdruck nach dem Wiederabstieg wurde es. Obwohl der ewige Co- und Amateurtrainer (St. Pauli, 1. FC Kaiserslautern, SV Lurup, Wolfsburg) bewiesen hatte, dass sich die taz vom 7. Januar 1999 kräftig täuschen sollte: „Eine Prognose ist nicht allzu gewagt: Dietmar Demuth gehört nicht zu denjenigen, denen eine lange Zukunft vergönnt sein wird.“

Dass Demuth in dieser Saison das spieltaktisch modernste System eingeführt hat, seit Millerntorbesucher denken können, wird beim Blick auf den Trainer häufig unterschlagen. Seine Vorstellungen konnten mit diesen Spielern allerdings weder in der 1. noch zu Beginn der 2. Liga umgesetzt werden. Doch der öffentliche Druck setzte das Präsidium unter Druck. „Demuth nicht zu halten“ titelte dpa am Montag und ließ den Verantwortlichen kaum noch Spielraum. Schneller als erwartet sah sich der Verein noch am selben Abend „gezwungen, die Art und Weise der letzten Spiele nicht länger zu dulden“ (Koch) und beurlaubte Demuth bei fortlaufenden Bezügen – etwa 300.000 Euro.

Mit der Beurlaubung Demuths vollzog der Verein eine Personalentscheidung, die im Kleinen bereits 1999 bei Demuths Debüt als Co-Trainer von Willi Reimann ihren Anfang nahm. Damals sollte er den noch verhinderten Reimann vertreten, überließ jedoch dem Co-Co-Trainer Joachim Philipkowski die Trainingsinitiative. Gestern auf der Pressekonferenz wurde nun bekannt gegeben, dass Philipkowski ab sofort als Interimstrainer den Trainingsbetrieb übernimmt. Er wird am Freitag mit Sportchef Franz Gerber und Torwartlegende Klaus Thomforde auf der Bank in Lübeck versuchen, die ersten Punkte für St. Pauli in dieser Saison zu ergattern. Nach dem schlechten Start in die Zweitligasaison erkannte der Bundesligaabsteiger, das „der Gesamtkomplex so nicht mehr funktionieren konnte“ (Vize-Präsident Christian Pothe).

Welcher Trainer den Starkstromkasten St. Pauli wieder in den Griff bekommen soll, ist noch nicht geklärt. Kurzzeitig wurde Reinhold Fanz gehandelt. Der mit Franz Gerber aus Hannoveraner Zeiten befreundete Coach scheint jedoch keine wirkliche Alternative. „Das ist völliger Quatsch“, lacht Pothe. Außerdem müssten gehandelte Kandidaten wie Jürgen Gelsdorf erst zum Starkstromelektriker umschulen lassen.