„Wie hälst du’s mit dem IWF?“

Wahlkampf im Zeichen der Finanzkrise: Brasiliens Präsident Cardoso will von seinen potenziellen Nachfolgern ein Bekenntnis zu den Wirtschaftsreformen, die der Währungsfonds fordert. Mittlerweile stehen auch linke Kandidaten hinter dem Sparkurs

von GERHARD DILGER
und KATHARINA KOUFEN

Die Finanzkrise in Südamerika beeinflusst immer stärker auch den Wahlkampf in Brasilien. Dort wird im Oktober ein neuer Präsident gewählt. Nun will der derzeitige Amtsinhaber Fernando Henrique Cardoso seine potenziellen Nachfolger offenbar auf eine Wirtschaftspolitik einschwören, die mit den Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) kompatibel ist. Denn weitere Kredite des Fonds, die das hoch verschuldete Land dringend braucht, sind an strikte Sparauflagen gebunden.

Und die Finanzlage ist nach wie vor kritisch. Brasilien hat Schulden in Höhe von 250 Milliarden Dollar. Zwar verschaffte der 30-Milliarden-Dollar-Kredit, den der IWF Brasilien vor knapp zwei Wochen eingeräumt hatte, der arg gebeutelten Landeswährung Real eine Verschnaufpause. Doch die schlechten Umfrageergebnisse des Regierungskandidaten José Serra für die erste Runde der Präsidentenwahl am 6. Oktober ließen die Nervosität auf den Finanzmärkten zuletzt wieder anwachsen.

Daher entschloss sich der Präsident zu einer konzertierten Aktion in Brasília: Am Montag empfing er hintereinander die vier „großen“ Kandidaten: Luiz Inácio „Lula“ da Silva, den Kandidaten der Arbeiterpartei PT, den Mitte-links-Kandidaten Ciro Gomes, sowie den Populisten Anthony Garotinho und Cardosos Parteifreund Serra. Und siehe da: Erstmals bekannte sich auch der Mitte-links-Kandidat Ciro Gomes, der Cardoso und den IWF bisher mit flotten Sprüchen kritisiert hatte, zu den Vorgaben aus Washington. Wohl oder übel beuge er sich der Vorgabe, im kommenden Jahr einen Haushaltsüberschuss von 3,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erwirtschaften, um den Schuldendienst nicht zu gefährden. Zudem stellte er mit dem Princeton-Professor José Alexandre Scheinkman einen ausgewiesenen Neoliberalen als wirtschaftspolitischen Chefberater vor.

Mit den internationalen Finanzmärkten will es sich Brasilien nicht verscherzen. Erst im Frühsommer hatten die guten Umfragewerte des Sozialisten Lula für eine Talfahrt des brasilianischen Real gesorgt – Lula galt als Schrecken der Finanzwelt, mittlerweile allerdings schlägt er moderate Töne an. Das neue Abkommen mit dem IWF hatte Lula schon längst als unvermeidlichen Ausweg aus den Turbulenzen der letzten Monate unterstützt. Nun regte er mehrere Sofortmaßnahmen an, darunter die Bereitstellung von Kreditlinien für verschuldete Privatunternehmen und Schritte zur Ankurbelung der Binnenwirtschaft. An der Wall Street gilt Serra als bevorzugter Kandidat. Er wird von Anlegern als derjenige gesehen, der am ehesten Cardosos Wirtschaftsreformen weiterführen würde.

Am wahrscheinlichsten ist derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Gomes und Lula. Dem aussichtslosen Populisten Anthony Garotinho bleibt es überlassen, einige unbequeme Warnungen auszusprechen: Cardoso wolle den kommenden Präsidenten an seine „Fiskalpolitik fesseln“, die vom IWF und den internationalen Banken“ vorgeschrieben werde. Das noch nicht veröffentlichte Abkommen mit dem IWF dürfe keine „Blackbox“ werden, die in Washington von einem „halben Dutzend brasilianischer Bürokraten“ ausgehandelt werde.

Ähnlich umstritten ist die Politik des IWF im benachbarten Argentinien. Während der Fonds die Mercosur-Partner Uruguay und Paraguay mit Krediten unterstützte, wurde Buenos Aires weiter hingehalten. Um an Kredite zu kommen, schickte Wirtschaftsminister Roberto Lavagna am Freitag eine „Absichtserklärung“ nach Washington, allerdings ohne sie wie üblich mit dem IWF abzustimmen. Eine Reaktion steht noch aus.