Methadon jetzt auch ohne HIV

Erfolg für Substitutionspolitik: Nach Gerichtsurteil können Heroinsüchtige auch ohne zusätzliche Krankheit Methadon bekommen. Doch die Kassen wollen nicht zahlen

BERLIN taz ■ Der Streit, der seit Monaten zwischen Kassen, Ärzten und Gesundheitsministerium zur Methadonsubstitution von Heroinabhängigen wütet, ist vorerst gestoppt.

Vorgestern beschloss das Sozialgericht in Köln, einen Eilantrag des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen gegen eine so genannte Ersatzvornahme des Bundesgesundheitsministeriums abzulehnen. Das wäre das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass es dem Ministerium gelungen ist, der Selbstverwaltung von Kassen und Ärzten ein solche Regel aufzudrücken.

Der Streit dreht sich darum, ob Heroinabhängige, die keine Zweiterkrankung haben, auf Krankenkassenkosten Methadon bekommen sollen. Bislang bekommen Heroinsüchtige nur dann die Ersatzdroge, wenn sie etwa mit HIV oder Hepatitis C infiziert sind. Die Entscheidung des Gerichts bestätigt nun das Ministerium. Es legt in seiner Ersatzvornahme fest, dass auch Abhängige ohne zweite Krankheit Anspruch auf Methadon haben.

Das erweitert nicht nur den Kreis der Heroinabhängigen, die behandelt werden können. Auch das Procedere für die Ärzte, die bislang mit Sonderregelungen und -anträgen ihren Patienten auf Umwegen eine Substitution beschafft haben, wird stark vereinfacht. Der Arzt braucht nun erst einmal nur noch den Kassen anzeigen, dass er die Absicht hat, einen Süchtigen zu behandeln. Er muss jetzt nicht mehr auf die Einwilligung einer regionalen Kassen- und Ärzte-Kommission warten.

Bislang war die Genehmigungspraxis dieser Kommissionen regional stark unterschiedlich: So bekamen etwa in Süddeutschland die Patienten, die bis zur Genehmigung ihres Antrags das Geld für das Methadon selbst auf den Tisch legen mussten, ihre Auslagen trotz Genehmigung nicht erstattet. In Hamburg dagegen war dies selbstverständlich.

Der Vorsitzende des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Karl Jung, hat jedoch bereits angekündigt, gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Beschwerde einzulegen. Sein Argument: Die Krankenkassen zahlen für das Methadon eigentlich bloß, um die Zweiterkrankungen der Patienten zu behandeln.

Da das Methadon allein jedoch nicht reiche, um die Süchtigen von ihrer Sucht zu heilen, müsse die Ersatzvornahme die konkrete, umfassende Behandlung für die Drogensüchtigen definieren. „Sonst könnten wir auch jedem Alkoholabhängigen eine Flasche Schnaps bezahlen“, sagt Jung. Will man mit der Methadontherapie nur verhindern, dass der Drogenabhängige zum Beispiel anschaffen geht, sei das nicht die Aufgabe der Krankenkassen.

Außerdem werde durch die Ersatzvornahme nicht gewährleistet, dass Süchtige, die die Therapie behindern oder unterlaufen, etwa indem sie nebenher andere Drogen konsumieren, ausgeschlossen werden können. Auch hierzu verlangt Jung „eindeutige Regelungen“.

Inge Hönekopp, die eine Schwerpunktpraxis für Methadonsubstitution in Mannheim betreibt, sieht das etwas anders: „Die Krankheit ist individuell. Dem einen genügt Methadon, der andere braucht zum Beispiel eine Psychotherapie.“ Sie meint, die Ersatzvornahme brauche keine Vorgaben zu machen, wie Jung sie verlangt. Entscheidungen über individuell notwendige Maßnahmen solle der Arzt treffen.

Für die Ärzte steht der Hauptgrund fest, warum Karl Jung und die Kassen sich sperren: das Geld. Das bestreitet Jung. Er setzt darauf, dass er seine Beschwerde mit rein medizinischen Gründen vor Gericht durchsetzt. Bis dahin jedoch gilt die Neuregelung. Das Tauziehen ist noch nicht zu Ende. NICOLE KUHN