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Onamo, onamo, da vidju Przren

Bloß auf die Mannesehre gezielt: Der Dokumentarfilm „Soldatenglück und Gottes Segen“ von Ulrike Franke und Michael Loeken zeigt wenig mehr als die Unbeholfenheit deutscher Soldaten beim Auslandseinsatz im Kosovo

„Wozu der ganze Aufwand?“ fragt Gunter Gabriel während einer Besichtigung des Standorts.

von CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK

Die Deutschen haben eindeutig den uncoolsten Radiosender für „ihre Jungs“ im Auslandseinsatz. Sie gönnen sich nicht einmal professionelle Moderatoren. Nein, zwei Soldaten werden einfach für den Job abgestellt und beherrschen dessen einfachste Handgriffe nicht. Da muss die Plattennadel schon mehrfach auf die Schallplatte gesetzt werden, bevor der Jingle abgespielt werden kann, und beim Ablesen der Grußnachrichten von den Lieben daheim haben sich Sender und Empfänger sicher auch etwas mehr Emphase gewünscht.

US-Amerikaner und Briten gehen da schon mit größerer Überzeugung an die Arbeit, welche sie nicht als reine Unterhaltung verstanden wissen wollen. Eine warme, freundliche Stimme und den Kontakt nach Hause, das sei es, was die Leute brauchen, weiht uns der britische Radiomoderator in seine Geheimnisse ein. Der Dokumentarfilm Soldatenglück und Gottes Segen zeigt uns ein deutsches Radio, aus dem einen die ganze mangelnde Erfahrung der Bundeswehr mit Auslandseinsätzen nur so anspringt.

Die Filmemacher Ulrike Franke und Michael Loeken folgten dabei der nahe liegenden Darstellung der Deutschen als Volltrottel so wenig wie anderen gängigen Ikonographien des Kriegsfilms. Mehrere Monate lang haben die beiden im vergangenen Jahr die KFOR-Truppen im Kosovo begleitet und aus dem mitgebrachten Material eine nüchterne Alltagsbeschreibung gezimmert, obendrein einen Vergleich der Tätigkeiten von Bundeswehr und US Army.

Dabei stehen die Deutschen in jeder Hinsicht mieser da. Nicht, wie man erwarten dürfte, einer schlechteren finanziellen Ausstattung wegen, sondern weil sie, glaubt man dem Regie-Duo, schlicht schlechter darin sind, den langweiligen sechsmonatigen Aufenthalt durch ausgefeilte Betreuung aufzupeppen. Denn wen Abenteurergeist zu dem Einsatz im Ausland bewogen hat, wird sich im Kosovo, oder jetzt in Afghanistan, schnell umsehen: Außer dem einen oder anderen Patrouillengang gibt es dort wenig zu tun.

Beim Heeresführungskommando in Koblenz weiß man, dass dieser unheimlichen Belastung – „natürlich nicht zu vergleichen mit der unserer Väter in Stalingrad“ – mit etwas Erbauung schon beizukommen wäre. Doch in die diesbezüglichen Fußstapfen etwa Theo Lingens treten hierzulande nur wenige Künstler. Gewagt hat es Gunter Gabriel, dessen Aufenthalt bei der Truppe in Przren für Soldatenglück und Gottes Segen den Rahmen abgibt. Die ehrliche Truckermusik-Haut liefert glücklicherweise nicht auch noch den Soundtrack zum Film, und sein Truppenhit „Es steht ein Haus im Kosovo“ muss nur ein einziges Mal, beim Konzert zum Abschluss, in voller Länge erduldet werden.

Gunter Gabriel haben die Filmemacher zum Sprachrohr einer Kritik gemacht, die kurzsichtiger kaum sein könnte. „Wozu der ganze Aufwand?“ fragt der Sänger während einer Besichtigung des Standorts. Und beim Konzert, nachdem er sich im Generalverdacht gegen die einsamen Freundinnen daheim mit den Soldaten verbrüdert hat, ein doppelzüngiges Lob: „Die tun Dienst für 180 Mark am Tag oben drauf. Wer will schon für 180 Mark am Tag in der Ungewissheit leben, was zu Hause passiert? Ich nicht!“

Die Frage nach dem Sinn des Auslandseinsatzes deutscher Soldaten lässt sich aber nicht damit erledigen, die Bundeswehr bei den Eiern zu packen. Derselben Rhetorik folgt der Film, wenn er den Deutschen immer wieder ihre mangelnde Erfahrung vor Augen führt. Immerhin haben Franke und Loeken eine mögliche – die moralische – Antwort gemieden, beispielsweise mit dem Hinweis auf das Leid, das „deutsche Soldaten“ schon einmal über die Balkanregion gebracht haben. Die Frage müsste aber noch einmal politisch gestellt werden: Wem hilft, wem schadet ein solcher Einsatz, welche globalen Kräfteverhältnisse stützt er, welche verändert er, wie ließen sie sich vielleicht so verschieben, dass derartige Einsätze nicht mehr stattfinden. „Der erste abendfüllende Kinodokumentarfilm, der den Auslandseinsatz deutscher Soldaten aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel betrachtet“ (Verleih), hat diese Chance jedenfalls verpasst.

Premiere mit (Gunter Gabriel und den Filmemachern): Donnerstag, 20 Uhr; danach täglich, 20.30 Uhr, 3001

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