: Schulden werden Privatsache
Senat will die Insolvenzberatung den Bezirksämtern wegnehmen und damit Kosten sparen. ver.di kritisiert den Behördenentwurf als „unsozial und unseriös“: KlientInnen werden ausgegrenzt
Die Privatisierungswelle rollt weiter: Jetzt plant der Senat, auch die Schuldnerberatung völlig in private Trägerschaft zu geben. Das geht aus einer internen Drucksache der Sozialbehörde hervor, die der Gewerkschaft ver.di vorliegt. Bisher waren neben Trägern wie dem Diakonischen Werk oder der Verbraucherzentrale auch die Bezirksämter für die Insolvenz- und Schuldenberatung zuständig. ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglinde Friess nennt den Senatsentwurf „unsozial und unseriös“.
Der Senat nimmt sich das Bremer Modell zum Vorbild. In der Schwester-Hansestadt wird bereits ausschließlich privat beraten. Die Leistungen der Beratungsstellen werden durch Fallpauschalen vergütet, „die nach der Anzahl der Gläubiger und nach Erfolg gestaffelt sind“, wie es in der Drucksache heißt. Für Friess ist klar: „Wer es am billigsten macht, erhält künftig den Zuschlag.“
Für nicht seriös hält sie auch den in der Drucksache angestellten Vergleich der bisherigen Arbeit der Beratungsstellen. Verbraucherzentrale und Diakonie schneiden dabei gegenüber ihrer Konkurrenz von den Bezirksämtern am besten ab. Für Friess nicht überraschend, da diese beiden Anbieter günstigere Rahmenbedingungen für Beratungserfolge hätten. Diese Bedingungen würden bei dem Vergleich gar nicht berücksichtigt.
Die schärfste Kritik macht ver.di aber daran fest, dass die Senatspläne zahlreiche heutige KlientInnen der Beratungsstellen ausgrenzen wollen. In der Drucksache wird davon gesprochen, „die Leistungserbringung auf Leistungsberechtigte nach dem Bundessozialhilfegesetz zu begrenzen“. All die, „die pleite sind, aber versuchen, ohne Sozialhilfe klarzukommen, könnten die Beratung dann nicht mehr in Anspruch nehmen“, empört sich Friess. Dies sei „politisch totaler Schwachsinn“.
Ähnlich ordnet sie auch das Ziel an, die Bezirksämter künftig nicht mehr mit diesen Aufgaben zu betrauen. „Die Durchführung der Schuldner- und Insolvenzberatung zählt nicht zu den staatlichen Kernaufgaben“, stellt die Senatsdrucksache lapidar fest und fügt an, private Träger hätten sich als „leistungsfähiger und wirtschaftlicher“ erwiesen. Für Friess ist es hochgradig uneffektiv, „den Bezirksämtern dieses Beratungsangebot wieder wegzunehmen, nachdem es gerade ins Laufen gekommen ist“.
Die Behörde hat es der Kritik zum Trotz offenbar eilig: Schon zum 1. Oktober soll der Senat die Umstrukturierung absegnen. PETER AHRENS
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