: Polizisten wollen an die Elbe
Der Nachwuchs der Berliner Polizei gibt der Werbung des Hamburger Innensenators Schill nach: großer Andrang bei Info-Veranstaltung. Körting verbittet sich „Wilderei“
Mit so einem Ansturm hatte keiner gerechnet. 285 Berliner Polizeischüler drängelten sich am Mittwochabend in der Landesvertretung der Hansestadt, um sich über die Möglichkeit einer Übernahme in den Hamburger Polizeidienst zu informieren. Der Andrang war so überwältigend, dass die aus Hamburg angereisten Polizeioberen an dem Abend statt einer zwei Informationsveranstaltungen durchführen mussten. Mit 159 Polizeianwärtern wurde ein Vorstellungsgespräch vereinbart. Für kommenden Donnerstag ist eine weitere Veranstaltung geplant.
Mit der wahlkampfträchtigen Abwerbeaktion von angehenden Berliner Polizisten macht Hamburgs Innensenator Roland Schill wahr, was er vor einigen Wochen angekündigt hatte: „Wir werden die Berliner Polizisten mit Kusshand übernehmen, ihnen hier in Hamburg einen roten Teppich ausrollen“, hatte Schill an Innensenator Ehrhart Körting (SPD) geschrieben. Die Rede ist von rund 900 Berliner Nachwuchspolizisten, die im Jahr 2003 und 2004 ihre Ausbildung beenden, vom Land aus Spargründen aber nicht übernommen werden können.
Anfang Juli hatte die Innenverwaltung die angehenden Beamten dem Bundesinnenministerium und anderen Bundesländern zur Einstellung angeboten. Der Erste, der reagierte, war Roland Schill. Kaum dass Schill dies kundgetan hatte, machte Körting einen Rückzieher. Der Brief seiner Behörde sei missverständlich formuliert gewesen, korrigierte sich der Berliner Innensenator. Tatsächlich beziehe sich das Rundschreiben nur auf einige wenige Nachwuchsbeamte, die aus persönlichen Gründen in ein anderes Bundesland wechseln wollten.
Kurz darauf ließ Körting die Öffentlichkeit wissen, er habe mit Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vereinbart, dass die Berliner Nachwuchsbeamten zum Bundesgrenzschutz und zum Bundeskriminalamt wechseln könnten. Dass hinderte Schill jedoch nicht, weiter die Werbetrommel zu rühren. Ausgebildete Großstadtpolizisten zum Nulltarif? Das mag Senator „Gnadenlos“, der versprochen hat, die Hamburger Polizei personell aufzustocken, sich nicht entgehen lassen. „Wir können die Berliner sofort einstellen“, verspricht Schills Pressesprecher Hartmut Kapp. Man sei auch bereit, die Umzugskosten zu übernehmen und bei der Wohnungssuche behilflich zu sein, ergänzt der persönliche Referent, Thomas Model.
In Körtings Haus wird mittlerweile ganz unverhohlen von „Wilderei“ gesprochen. Er habe sich „aus Fürsorgegründen“ dafür eingesetzt, dass der Nachwuchs zum Bundesinnenminsterium wechseln könne, schimpft Körting. Was Schill treibe, sei „unanständig“, weil er sich damit über eine Vereinbarung der Bundesinnenministerkonferenz (IMK) vom vergangenen November hinwegsetze. Die Vereinbarung besagt, dass Polizisten nur im gegenseitigen Einvernehmen der Länder wechseln sollen.
Im Gegensatz zu Körting steht Schill auf dem Standpunkt, dass dieser Passus für in Ausbildung befindliche Ordnungshüter nicht gilt. Aber das letzte Wort haben die Polizeischüler immer noch selbst. „Wir können sie nicht halten, wenn sie unbedingt nach Hamburg wollen“, sagt Körtings Sprecherin, Henrike Morgenstern. PLUTONIA PLARRE
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen