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Nahostkonflikt wird zum Narrenkonflikt

Menschlicher Ernst: Der Satiriker Ephraim Kishon gibt seinen Karnevalsorden wegen Blüms Israel-Kritik zurück

AACHEN taz ■ Fröhlich und ausgelassen soll es zugehen, wenn der Aachener Karnevalsverein (AKV) seinen Orden wider den tierischen Ernst verleiht. Preisträger müssen sich durch Mutterwitz, besonderen Humor oder Menschlichkeit im Amt hervortun. So wie CDU-Fahrensmann Norbert Blüm, Ordensritter 1985. Oder wie 1978 der israelische Satiriker Ephraim Kishon, der heute 78 Jahre alt wird.

Doch jetzt ist Schluss mit lustig. Nachdem Blüm vor einigen Wochen Israels Militärschläge gegen die Palästinenser als „hemmungslosen Vernichtungskrieg“ bezeichnete, ist Ordensbruder Kishon hellauf empört. Das sei „ein Nazi-Ausdruck“ und „purer Antisemitismus“.

Blüm wisse genau, glaubt Kishon, dass er „nicht gegen Israel hetzt, sondern gegen die Juden“, also auch gegen ihn, und zwar „in der Sprache von Goebbels“. Kishon feuert aus dem Blaumilchkanal: Blüms Vorwürfe klängen, als sei die Familie Kishon „am Völkermord beteiligt und würde palästinensische Kinder abschlachten. Wer nicht einsieht, dass dieses winzig kleine Land Israel, von 21 feindlichen Ländern umgeben, nur um sein Überleben kämpft, der ist ein Antisemit.“

Blüm müsse sich entschuldigen oder der AKV ihn rauswerfen, forderte Kishon. Blüm aber will nichts zurücknehmen, auch keinen Preis zurückgeben und sieht bei Kishon „menschlichen Ernst“.

Kaum hatte der AKV erklärt, es wolle sich nicht in solchen politischen Grundsatzstreit einzumischen, kam ein Päckchen in Aachen an. Inhalt: Orden und Narrenkappe. Aber nicht Kishon war der Absender, sondern ein Rechtsanwalt namens Wolfgang Becker. Dieser musste erklären, er sei der Sohn des 1960 verstorbenen früheren Bundestagsvizepräsidenten Max Becker (Ordensträger 1957), und handele „aus Solidarität mit Herrn Kishon und Israel“. Ein AKV-Sprecher staunte, Becker jun. sei „wie Kasper aus der Dose gekommen“.

Kishon war dagegen begeistert: „Eine noble Geste. Wolfgang Becker ist ein edler Mann.“ Kishon will ihm jetzt nacheifern, auch sein Paket nach Aachen schicken „und darum bitten, meinen Namen aus der Liste der Preisträger zu streichen“. Der AKV hofft, „dass der Preis keinen Schaden davonträgt“, nachdem man schon im Frühjahr mit dem Schweizer Exbotschafter Thomas Borer so ein Pech hatte: Kaum war der gerittert, wurde er aus dem Amt denunziert.

Kein halbes Jahr mehr, bis der nächste Ritter, der närrische Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, in die Bütt steigt. Versöhnliche Aussichten: Wiedeking verkauft seine lustigen Flachflitzer an jedermann, unabhängig von politischer Gesinnung.

BERND MÜLLENDER

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