: Eine halbe Stunde Gesicht zeigen
Innenminister Schily eröffnet die Ausstellung „Unser Ausland“ in Berlin und erfreut das liberale Publikum mit einem Plädoyer für „interkulturelle Kompetenz“. Die Regierungswerbung für das Zuwanderungsgesetz liefert dazu einen erhellenden Beitrag
von LUKAS WALLRAFF
Innenminister Otto Schily (SPD) hat gestern die Wanderausstellung „Unser Ausland“ in Berlin eröffnet. In seinem freundlichen Grußwort lobte Schily die Videoinstallation der Regisseurin Dorothee Wenner, in der zehn in Deutschland lebende Ausländer über ihre Erfahrungen mit der hiesigen Kultur berichten: „Das ist wahrlich ein Projekt, von dem wir etwas lernen können.“
Unter dem Beifall des überwiegend linksliberalen Publikums betonte Schily die Notwendigkeit der „interkulturellen Kompetenz“. Einer der Ausstellungsmacher dankte ihm dafür, dass er „trotz seiner Dreifachbelastung“ als Minister, Wahlkämpfer und Flutbekämpfer eine halbe Stunde Zeit gefunden hatte.
„Ich sage Ihnen ganz offen: Die beste Form der Integration ist Assimilierung.“ Otto Schily am 27. Juni in der Süddeutschen Zeitung.
Die Ausstellung, für die Schily gestern so warme Worte fand, ist ein Projekt des Vereins „Gesicht zeigen!“, der vor zwei Jahren als Reaktion auf die Zunahme fremdenfeindlicher Gewalt gegründet wurde. Die Organisatoren wollen mit ihrem neuen Projekt „die Bereicherung der eigenen Kultur durch den Einfluss fremder Kulturen“ dokumentieren. Als Schirmherrin fungiert die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck.
„Im deutschen Interesse“ – unter diesem Titel informiert die Bundesregierung in einer 2,85 Millionen Euro teuren Werbekampagne über das neue rot-grüne Zuwanderungsgesetz. Darin heißt es: „Das Gesetz wird die Zuwanderung deutlich senken.“
In der Videoausstellung, die vom Bundesfamilienministerium gefördert wurde, sollen Ausländer „nicht als diejenigen vorgestellt werden, die Probleme machen“. So erzählt der Berliner Schriftsteller Wladimir Kaminer in gewohnt amüsanter Weise über deutsche Männer und ihr Verhältnis zu russischen Frauen. Ein indischer Innenarchitekt versucht zu ergründen, was deutsche Gemütlichkeit ist, und ein selbstständiger Kfz-Mechaniker aus Sierra Leone schildert, wie ihn deutsche Kunden immer wieder fragen: „Wo ist denn hier der Chef?“ Eine burundische Jurastudentin, die als Flüchtlingskind nach Deutschland kam, sagt, wie wichtig es ihr ist, hier studieren zu können.
Aus der Informationsbroschüre der Bundesregierung, die gestern wieder mehreren Tageszeitungen beigelegt wurde: „Die Abschiebungsverfahren werden beschleunigt.“
Die Ausstellung wird in den nächsten drei Monaten an zehn öffentlichen Orten in Berlin gezeigt und soll dann auch im übrigen Bundesgebiet zu sehen sein. Schirmherrin Beck sagte gestern: „Wenn wir über Migration in den Kategorien von Nutzen und Belastung sprechen, sollten wir viel stärker über die kulturelle Befruchtung sprechen, die Migration mit sich bringt.“
Aus der Informationsbroschüre der Bundesregierung: „Überdies kann nur zuwandern, wer ein gesichertes Auskommen hat. Damit entfällt eine wichtige Ursache von Kriminalität.“
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