: „Richtig in den Busch“
Eine Bremerin ging für „Ärzte ohne Grenzen“ nach Uganda, um im ehemaligen Rebellengebiet den Kampf gegen die Malaria aufzunehmen. Ein halbes Jahr arbeitete die MTA in Ostafrika
Bundibugyo. Für ein halbes Jahr. 24 Stunden hatte Cara Kosack Zeit, zuzusagen. Und sie ging tatsächlich von Bremen nach Uganda, obwohl sie „keine Ahnung“ von dem ostafrikanischen Land hatte. Doch irgendwie erschien es ihr besser als die Alternative: das nigerianische Lagos, von wo gerade Bilder eines explodierenden Tanklagers um die Welt gegangen waren. „Außerdem wollte ich nicht in die Großstadt, sondern richtig in den Busch.“
Vielleicht war es gut, dass sie nicht viel über ihren Zielort wusste. Wäre sie noch gegangen, wenn sie gewusst hätte, dass noch vor zwei Jahren regelmäßig Rebellen über die kongolesische Grenze in den Distrikt Bundibugyo einfielen und mit Macheten halbe Dörfer abschlachteten? Aber genau deshalb wurde sie gebraucht. Die verängstigten Bergbauern sind aus den mächtigen Rwenzori Mountains in die Ebene geflüchtet und gehen nur noch tagsüber auf ihre Äcker zurück. 150.000 Menschen leben heute in „Internal Displaced Camps“, improvisierten Lagern aus Lehmhütten, häufig ohne sauberes Wasser. Die internationale Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ begann hier 1997, Nothilfe zu leisten. Inzwischen ist daraus ein mittelfristiges Projekt zum Aufbau eines funktionierenden Gesundheitswesens geworden – auch wenn Cara Kosack betont, dass es das Ziel der Organisation ist, alles so bald wie möglich an einheimische Kräfte zu übergeben.
Malaria ist die Geißel des afrikanischen Kontinents. Im tropischen Uganda tötet das Sumpffieber immer unzählige Menschen, weit mehr als die andere große Plage AIDS. Dabei wäre Malaria meist harmlos, wenn sie richtig behandelt würde. Die Gesundheitsversorgung in Uganda ist zwar theoretisch kostenlos, aber in den staatlichen Krankenhäusern gilt das Prinzip „solange der Vorrat reicht“. Und das ist oft nicht sehr weit. Danach muss man in privaten Apotheken einkaufen. Aus Gewohnheit oder Kostengründen greifen dort viele zu veralteten Medikamenten, gegen die die Erreger längst resistent geworden sind – was wiederum darauf zurückzuführen ist, dass viele Patienten die Medizin nicht regelmäßig nehmen. So machen sie es den Erregern leicht, zu überleben und sich anzupassen. „Compliance“, also die regelmäßige Einnahme, ist deshalb eines der wichtigsten Ziele von Ärzte ohne Grenzen.
Zuerst muss man rausbekommen, was vor Ort noch wirkt – die Aufgabe von Cara Kosack. „Ich wusste erst gar nicht, dass die bei Ärzte ohne Grenzen auch Laboranten nehmen“, sagt die Medizinisch-Technische Assistentin und Medizinstudentin. In Bundibugyo war sie plötzlich Projektleiterin in einem Team mit zwölf ugandischen MitarbeiterInnen. Bei Kindern unter fünf Jahren, deren leicht angreifbares Immunsystem besonders deutliche Ergebnisse ermöglicht, haben sie den Verlauf von Malariaerkrankungen jeweils einen Monat lang beobachtet und dokumentiert. Danach gingen die Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium in der fernen Hauptstadt Kampala los: Welche Medikamente müssen gekauft werden, welche von der Liste verschwinden?
Bei ihrer Arbeit ist die 27-Jährige immer wieder auf unerwartete Hindernisse gestoßen: „Wir hatten zwar einen Kühlschrank, aber keinen Strom.“ Nur zweimal in der Woche wurde der Generator angeworfen. Dann hatte das Röntgengerät Großeinsatz. Aber an Blutkonserven oder bestimmte Analysen war nicht zu denken. Zumindest so lange, bis Kosack ein kleines Labor aufbaute und sich bei einer Partnerinstitution ein Kühlschrankfach „zur Untermiete“ sicherte.
Auch ihre helle Hautfarbe machte der angehenden Medizinerin manchmal das Leben schwer. Zum Glück musste sie bei der Gretchenfrage nicht passen. „Meine ugandischen Kollegen haben mir fassungslos erzählt, es wären schon Weiße dort gewesen, die an gar nichts glauben.“ Die kleinen Kinder hatten trotzdem Angst vor ihr. Tatsächlich heißt es dort: Wer hat Angst vorm weißen Mann? „Die bekommen gesagt: Wenn du nicht artig bist, nimmt die Weiße dich mit.“
Für Jugendliche waren Kosack und ihre vier europäischen KollegInnen eher Objekt der Neugier: „Die haben sich extra was gebaut, damit sie über den Zaun in unserern Garten gucken konnten.“ Manchmal war es schwierig, „immer der Exot“ zu sein; ein halbes Jahr – ohne Telefon, ohne Fernsehen. Drei Autostunden von Fort Portal, der nächsten Stadt, die doch nur 70 Kilometer entfernt liegt. Aber viele Menschen in Bundibugyo sind so weit nie gereist.
Die Menschen in den Camps sind von den Rebellenüberfällen traumatisiert. Die oft unvorstellbare Brutalität der Mörderbanden, die sich zynischerweise einst unter dem Namen „Allied Democratic Front“ zusammengeschlossen hatten, um gegen die Regierung zu kämpfen, hat tiefe Spuren hinterlassen. „Wenn sie in der Entfernung Schüsse hören, ducken sie sich unwillkürlich“, hat Kosack beobachtet. Trotzdem werde „viel mehr gelacht“ als bei uns – „das hat meine Grundstimmung deutlich gehoben.“ Und von der ostafrikanischen Gelassenheit hat sich Cara Kosack ein Stückchen mit nach Bremen gebracht. Schon jetzt weiß sie: Nach Afrika wird sie wieder gehen. Jan Kahlcke
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