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Biken in der Randlage

Vom touristischen Zwergstaat zum Geheimtipp für Fahrradurlauber? Das Saarland wirbt mit neuen Radwegen, Radsport-Events und frankophiler Lebensart. Ein Zukunftskonzept: Schließlich gibt es bundesweit etwa 31,5 Millionen willige Radfahrer

von HANNE BAHRA

Klick, Klack. Keuchend und strampelnd schalten wir unsere Räder in gängige Gangart. Schon wieder geht es bergauf. Flachlandgewohnte Waden kämpfen mit Mittelgebirgstektonik. Wir haben die Berge des nördlichen Saarlandes unterschätzt, nicht deren Höhe, aber die Häufigkeit der bewaldeten Buckel. Als wir endlich an der stählernen Skulptur eines Radfahrers vorbei in St. Wendel einrollen, rinnt der Schweiß in Strömen. Wir kreuzen die Straße, die erst vor wenigen Wochen von den Rädern der Tour de France geweiht wurden, und halten vor dem ältesten Gasthaus der Stadt. Nach Dibbelabbes und Hoorische Kupp steht uns der Sinn, typisch Saarländisches aus Kartoffeln mit Speckrahmsoße, Sauerkraut oder Apfelmus. Auch wenn man uns später in den Sattel heben muss!

Das über 300 Jahre alte Gasthaus erweist sich auf dieser Reise als eine der besten Adressen heimischer Küche. Kulinarisch gesehen liegt hinter uns eine ziemlich flache Strecke. Wer sich derzeit auf die insgesamt etwa 1.800 Kilometer ausgewiesenen saarländischen Radwege, vor allem den erst in diesem Frühjahr eingeweihten, 354 Kilometer langen Saarland-Radweg begibt, ist oft noch auf Stullenpakete angewiesen. Über Land finden sich wenig Kneipen, kaum ein Bistro weit und breit. Da flucht selbst der Bürgermeister: „Viele Menschen hier glauben einfach nicht, dass man auch im Saarland am Tourismus verdienen kann.“

Klaus Bouillon weiß: Das Saarland ist vielen Deutschen als Reiseland völlig unbekannt. Das Zugtier vor dem Wirtschaftskarren des kleinsten Bundeslandes, zumindest aber des St. Wendeler Landes mitten im Naturpark Saar-Hunsrück, sollte schon seit vielen Jahren der Drahtesel sein. Das Rezept des Bürgermeisters gegen das Vergessen der ohnehin durch Randlage und Rezession gebeutelten Gegend heißt Radsport. Schließlich gibt es bundesweit etwa 31,5 Millionen Radfahrer. Vorradler Klaus Bouillon, der selbst noch an die 5.000 Kilometer im Jahr auf dem Fahrrad zurücklegt, versucht möglichst viele davon mit sportlichen Events in seine Gegend zu locken. Ein Verrückter, dachten die Leute lange, inzwischen organisiert St. Wendel alljährlich den Mountainbikes-Weltcup. Der internationale St. Wendeler Mountainbike-Marathon am 28. September ist das Finalrennen der europäischen Serie Euro Bike Extremes. 2.000 Radler aus über 15 Ländern werden erwartet. Biken by Boullion.

Vieles, was die Kleinstadt zur deutschen Radsportmetropole machte, wurde in der Stammkneipe der St. Wendeler Honoratioren, „Zum Ochsen“, beschlossen. Jetzt trainieren im Wald von St. Wendel auf den Cross-Country-Strecken der Weltcup-Rennen und Mountainbike-Marathons die harten Pedaleure der deutschen Mountainbiker-Nationalmannschaft und Freizeitradler. „Sind die Radler erst einmal in St. Wendel“, so hofft Bouillon, „entdecken sie auch die anderen Vorzüge dieser Region.“

Die sind zwar nicht spektakulär, selbst der Schaumberg, eine der höchsten Erhebungen der Gegend, ist nur 569 Meter hoch, und der Bostalsee, in den 70er-Jahren künstlich angestaut, ist gemütlich in einer knappen Stunde umradelt. Doch erweisen sich hier die südlichen Ausläufer des Hunsrück als stille Landschaft mit Überraschungen. Kurz hinter St. Wendel wächst plötzlich ein drei Meter hoher antikisch gewandeter Torso aus Sandstein aus der Wiese. Weitere 50 behauene Steinblöcke, bis zu 9 Meter hoch, geben der Gegend auf der etwa 30 Kilometer langen „Straße der Skulpturen“ bis zum Bostalsee Akzente. Eine Freiluftgalerie, dem deutsch-jüdischen Bildhauer und Maler Otto Freundlich gewidmet, der schon in den 30er-Jahren in Paris von einer „voie de la fraternité et solidarité humaine“, einer Straße der Brüderlichkeit und menschlichen Solidarität träumte. Und zu dieser passt natürlich am besten das Rad.

Info: Tourismus Zentrale Saarland GmbH Tel. (06 819 92 72 00, www.tourismus.saarland.de Tipps für Radler: „Lady-Balance-Wochenenden“: Tipps-und-Tricks-Seminare nur für Frauen mit der mehrmaligen Deutschen Meisterin und Olympiateilnehmerin Hedda zu Putlitz auf den St. Wendeler Weltcup- und Marathonstrecken. Info: Tel. (0 68 51) 9 39 55 14 „Bike & Fun“: Training unter Anleitung des ehemaligen Deutschen Meisters Kunibert Bock in St. Wendel. Tel. (0 68 51) 9 39 55 14

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