Land, Sprache, Gesetz

Mitreißendes Erzähltheater: Die australische Black Swan Theatre Company begeistert beim Laokoon-Festival mit „The Career Highlights of the Mamu“

von KARIN LIEBE

Um ein kleines Lagerfeuer sitzen drei alte Aborigines. Die Männer schlagen rhythmisch zwei Bumerangs aneinander, dazu setzen sie immer wieder zur gleichen monotonen Melodie an. Labyrinthartige Kreise und Linien in Erdfarben fügen sich auf dem Boden und an die Wand projiziert zu abstrakten Landschaften. Bilder und Musik, wie wir sie aus Filmen und Büchern kennen und die wir mit der Kultur der australischen Ureinwohner verbinden. Live auf Kampnagel, getaucht in gedämpftes Licht, erzeugen sie von Anfang an eine intime Atmosphäre, die aber gleichzeitig etwas Distanziertes, Bedrohliches ausstrahlt. Denn die Musiker schauen nicht ins Publikum, wirken apathisch, fast abweisend.

The Career Highlights of the Mamu von der australischen Black Swan Theatre Company lässt in einer multimedialen Performance – mit Erzählelementen, Tanz, Film und Musik jenseits von folkloristischer Buntheit – bruchstückhaft die fast zerstörte Kultur der Aborigines aufleben. Im Mittelpunkt steht Trevor Jamieson, ein vor Energie sprühender junger Aborigine, der sich selbst spielt und als eine Art Conferencier charmant durch den Abend führt. Er trägt weder Anzug, Fliege noch Gamaschen, sein Oberkörper ist nackt und bemalt, unter der Jeans gucken bloße Füße hervor.

Ursprünglich wollte der ausgebildete Sänger und Tänzer in einer One-Man-Show die Geschichte seines Stammes, der Spinifex, darstellen. Doch die Spinifex, mit dem Atombombenversuch der Engländer von 1956 in Maralinga für immer von ihrem seitdem verseuchten Land vertrieben, verlangten von Jamieson, dass er ihre Geschichte „richtig“ erzähle. Und dazu gehören traditionelle Lieder und Tänze, vorgeführt auch von ganz normalen alten Frauen, die etwas wackelig auf den Beinen stehen.

Und so sitzen Bruder und Cousin, Neffe und Nichte, Tanten und Großmutter des Performers um das Lagerfeuer, während Trevor erklärt. Etwa dass für die Aborigines als schriftlose Kultur die drei L‘s „Land, language, law“ wichtiger seien als die drei westlichen Essentials „Lesen, Rechnen, Schreiben“. Wenn Trevor nicht gerade mit seinem Cousin in die Gitarrensaiten greift und, begleitet von einer Band, satte Rocksongs über den stets blauen Himmel in der Wüste, das Geschenk des Regens und den Fluch des Alkohols singt, wenn er nicht mit den anderen jungen Männern staksig und federplusternd und sehr gekonnt den Emutanz tanzt, dann erzählt er von jener Geschichte: Wie die Spinifex seit der Eiszeit in Australien lebten, wie plötzlich Fremde in ihr Gebiet eindrangen und Eisenbahnschienen bauten. Voller Witz und Selbstironie gehen dann drei junge Aborigines mit Speeren auf eine Spielzeugeisenbahn los und brüsten sich gegenseitig damit, die davontutende Bahn wie ein wildes Tier verjagt zu haben.

Von solchen treffsicheren Spielszenen hätte man sich ein paar mehr gewünscht, von Trevors Ausführungen ein paar weniger. Trotzdem ist dieses zum ersten Mal außerhalb von Australien aufgeführte Stück unterhaltsam – und, man traut es sich kaum zu schreiben, lehrreich. Etwa wenn Trevor demonstriert, wie sich die Aborigines höchst unfreiwillig mit den Europäern verbanden, als die Atombombe in der australischen Wüste gezündet wurde. Trotzdem endet das Stück mit einer versöhnlichen Geste: Die Darsteller treten an den Bühnenrand und strecken den Zuschauern in den ersten beiden Reihen die Hand zum Abschied hin.