: „Haider will die Parteiführung zurück“
Die Wiener Politikwissenschaftlerin Sabine Rosenberg über den Konflikt in der FPÖ und die Rolle der Opposition
taz: Erleben wir einen Machtkampf oder einen Linienstreit in der FPÖ?
Sabine Rosenberg: Ein Richtungsstreit würde bedeuten, dass es um inhaltliche oder ideologische Positionen geht. Haider bleiben nicht mehr viele Legislaturperioden, um Kanzler zu werden. Deswegen versucht er, vor der nächsten Wahl die Parteiführung zurückzubekommen und ein massives Wahlergebnis einzufahren. Das kann er am besten, indem er Oppositionspolitik gegen die Regierung macht.
Läuft er nicht Gefahr, auch seine treusten Vasallen zu verlieren? So scharf wie diesmal hat sich die Parteichefin Frau Riess-Passer ja noch nie aufgebäumt.
Das stimmt. Aber bisher hat er immer die Zustimmung seiner Vasallen bekommen, und zwar mit dem Argument, dass er Wahlen mit einem guten Ergebnis gewinnen kann. Es kann sein, dass das jetzt der Wendepunkt war. Haider hat große politische und taktische Fähigkeiten. Aber sein größter Nachteil ist, dass er ein sehr emotionaler Mensch ist. Im Gegensatz zu den Regierungspolitikern reagiert er daher emotional und vielleicht unüberlegt.
Wurde das Wendeprojekt vom Hochwasser weggespült?
Das ist eine schöne Formulierung, aber hat nichts miteinander zu tun. Diese Steuerreform hätte es auch so nicht gegeben. Für die Regierung ist es ganz gut zu sagen, es ist die Priorität, den Opfern zu helfen, daher lässt das Budget jetzt nicht auch noch eine Steuerreform zu. Der Konflikt wäre aber auch ohne das Hochwasser gekommen, nur später. Die FPÖ war immer eine Protestpartei und ist dafür gewählt worden und nicht, wie im Ausland immer wieder betont wird, in erster Linie wegen ihrer Anlehnung an eine bestimmte Vergangenheit und Nonchalance gegenüber dem Nationalsozialismus. Haider hat die Wahlen gewonnen, weil er die Konkordanzpolitik und den Korporatismus angegriffen hat. Das macht er jetzt auch, aber der Unterschied ist, dass seine eigenen Leute in der Regierung sitzen.
Aber der Österreicher ist ja auch ein Konsenswesen.
Neben der Sehnsucht nach einem Konsens war da auch immer die diffuse Kritik am Establishment. Das beides kommt jetzt zusammen. Da wird man sehen, ob zwei oder drei Jahre Regierung ausreichen, dass die Leute auch psychologisch ihre Entscheidung schon revidieren können.
In allen Umfragen hätte neuerdings eine rot-grüne Koalition die Mehrheit. Reagiert die Opposition angemessen auf die Krise?
Die Opposition ist wahnsinnig ruhig. Man hört von den Grünen überhaupt nichts. Alfred Gusenbauer von der SPÖ hat Neuwahlen gefordert. Wir sehen, dass für die Opposition wenig Platz ist. Um stärker wahrgenommen zu werden, müsste sie wohl ähnlich populistisch reagieren wie die Regierung. Sie zeigt aber zu wenig Bereitschaft, um diese ähnlichen Muster anzuwenden. Deshalb kann man der Meinung sein, sie reagiert nicht lautstark genug. Man muss aber auch sehen, in welchem Ausmaß die Regierungsparteien derzeit die Nachrichtensendungen dominieren.
INTERVIEW: RALF LEONHARD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen