: Kein Veto Chinas gegen Irak-Krieg
Chinas Staats- und Parteichef Jiang Zemin will die guten Beziehungen zu den USA nicht mit Differenzen in der Irak-Frage belasten. Die US-Regierung kommt Peking entgegen, indem sie eine ostturkestanische Gruppe zu Terroristen erklärt
aus Peking GEORG BLUME
Wo China in der Irak-Frage steht, ist eigentlich klar: „Die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit Gewalt ist nicht hilfreich bei der Lösung des Irak-Problems“, sagte Außenminister Tang Jiaxuan beim Empfang seines irakischen Amtskollegen Naji Sabri Ahmed am Dienstag in Peking. Doch merkwürdig: Statt Chinas Opposition zu einem US-Krieg gegen den Irak propagandistisch unters Volk zu bringen, berichten die offiziellen Medien dieser Tage fast nur über die Vorbereitungen für den Ende Oktober geplanten Staatsbesuch von Staats- und Parteichef Jiang Zemin in den USA.
Zeitgleich zur Visite des irakischen Außenministers weilte auch US-Vizeaußenminister Richard Armitage in Peking. Und wenn nicht alles täuscht, signalisierte der Trubel um Armitage und die öffentliche Nichtbeachtung des irakischen Gasts, dass China bei einem US-Angriff gegen den Irak kein Veto im Weltsicherheitsrat einlegen wird. Seit Monaten schon drückt sich Chinas Diplomatie vor der Irak-Frage. Als kürzlich die Außenminister Pekings und Moskaus im südostasiatischen Ölsultanat Brunei über die Lage am Golf sprachen, hieß es, beide Länder messen dem Weltsicherheitsrat eine führende Rolle bei der Lösung des Irak-Problems bei. Dort haben China und Russland ein Vetorecht. Doch Chinas Regierung glaubt den eigenen Worten nicht. Sonst hätte sie, meinen westlichen Diplomaten, die US-Drohungen gegen den Irak längst mit einer Vetodrohung im Sicherheitsrat kontern müssen.
Grund für die Zurückhaltung sind die verbesserten Beziehungen zwischen Peking und Washington. Seit dem 11. September haben die USA zumindest vorübergehend ihr Interesse verloren, China zum „Rivalen“ (Colin Powell im Januar 2001) aufzubauen – zum Nutzen Pekings. So haben die USA jetzt die in China verbotene „Ostturkestanische Islamische Bewegung“ auf ihre Liste terroristischer Gruppen gesetzt. Damit erkennt Washington zum Entsetzen von Menschenrechtsorganisationen erstmals Pekings Kampf gegen uigurische Separatisten in Chinas Westprovinz Xinjiang an. Zuvor hatte US-Präsident George W. Bush stets betont, China dürfe den Anti-Terror-Krieg nicht zum Vorwand für die Unterdrückung islamischer Minderheiten nutzen.
Im Gegenzug erließ Peking neue Exportbestimmungen für Raketentechnologie, um zu verhindern, dass von den USA als feindlich betrachtete Staaten wie Nordkorea, Iran und Irak in den Besitz chinesischer Waffentechnologie kommen.
Wo Chinas außenpolitische Prioritäten heute liegen, zeigt die Verschiebung des alle fünf Jahre stattfindenen KP-Parteitages auf den 8. November – kurz nach dem USA-Besuch von Parteichef Jiang. Da er auf dem Parteitag voraussichtlich abtreten wird, erscheint seine USA-Reise darauf ausgerichtet, den Interessenausgleich mit Amerika zum Teil seines persönlichen Vermächtnisses zu machen. Vor diesem Hintergrund wäre Irak für Jiang nebensächlich.
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