: Flughafen unter Vertrag
Hochtief und IVG zahlen 290 Millionen Euro. Der Schönefeld-Ausbau bis 2009 wird zum Großteil über eine umstrittene Fluggastgebühr finanziert. Die wird bereits ab dem Frühjahr 2003 erhoben
von RICHARD ROTHER
Der neue Flughafen in Schönefeld, der die beiden innerstädtischen Airports Tegel und Tempelhof überflüssig machen soll, nimmt Gestalt an. Die Eigner der Berliner Flughafengesellschaft – Berlin, Brandenburg und der Bund – sind gestern mit den Investoren um den Essener Baukonzern Hochtief und die Bonner Immobiliengruppe IVG übereingekommen, eine Art Vorvertrag (Letter of Intent) zu unterzeichnen. Der endgültige Vertrag, der neben dem Ausbau von Schönefeld auch die 100-prozentige Privatisierung des bisherigen Berliner Flughafensystems regelt, soll bis 30. November unterschriftsreif sein. Insgesamt zahlen die Investoren 290 Millionen Euro. Sie erhalten dafür das Recht, den ausgebauten Flughafen 99 Jahre lang zu betreiben; Konzessionsabgaben sind erst ab dem 51. Jahr zu entrichten.
Der neue Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) ist damit der erste zu einem Großteil privat gebaute und betriebene Flughafen Deutschlands. Nach derzeitigem Planungsstand soll er 2008/2009 in Betrieb gehen – bis zu zwei Jahre später als ursprünglich geplant.
Für den Ausbau werden die Passagiere zur Kasse gebeten. Ab April 2003 wird eine Fluggastgebühr von 5,50 Euro erhoben – auch in Tegel und Tempelhof. Nach Inbetriebnahme des ausgebauten Airports in Schönefeld wird diese auf 10,60 Euro angehoben. Sie soll von den Fluggesellschaften über die Tickets eingenommen werden. De facto zahlen also die Passagiere einen Großteil der Ausbaukosten. Die Investoren erwarten insgesamt eine Rendite von 13,5 Prozent.
Bei den um ihre Wettbewerbsfähigkeit besorgten Fluggesellschaften stößt die Gebühr auf Widerstand, weil sie die Tickets verteuert. „Wir werden uns dagegen wehren“, sagt Wolfgang Weber von der Lufthansa. Es handele sich um eine Sondergebühr zur Vorfinanzierung eines noch nicht gesicherten Projektes. In der Tat ist der Airport erst gebaut, wenn das erste Flugzeug startet. Beiden Parteien wird im Letter of Intent nämlich ein umfangreiches Rücktrittsrecht eingeräumt, sollten sich wesentliche Änderungen der Eckdaten ergeben – zum Beispiel beim Zinssatz, öffentlichen Förderungen und der Entgeltgenehmigung. Da die Gebühr ein wesentliches Finanzierungsinstrument ist, könnte das Projekt scheitern, sollte die Luftfahrtbehörde die Genehmigung verweigern.
Der reine Bau des Flughafens soll 1,7 Milliarden Euro kosten; 75 Prozent der Bauleistungen sollen öffentlich ausgeschrieben werden. Fällt das Ausschreibungsergebnis günstiger aus, erhöht sich der Kaufpreis zu Gunsten der öffentlichen Hand; fällt er höher aus, hätten die Investoren die Mehrbelastung zu tragen.
Allerdings ist die öffentliche Hand ohnehin zum Großteil an der Finanzierung beteiligt. Für die Schienenanbindung sind knapp 500 Millionen Euro vorgesehen – davon übernimmt der Bund zunächst eine Hälfte. Der Rest wird voraussichtlich zwischen Berlin, Brandenburg und dem Bund aufgeteilt. Für Zufahrtsstraßen werden 76 Millionen Euro fällig; die Umsiedlung von Anrainer-Gemeinden verschlingt weitere Millionen. Zudem verbleiben die Belastungen durch millionenschwere Fehlspekulationen aus der Wendezeit bei der öffentlichen Hand. Der Verkaufserlös soll in erster Linie für die Abwicklung dieser Schulden aufgewendet werden.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte gestern, das Projekt habe „absolute Priorität“. Jetzt sei ein wichtiges Zwischenergebnis erreicht, Risiken und Nebenwirkungen seien aber genügend vorhanden. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) betonte, mit dem BBI werde die Region schon in der Bauphase einen wichtigen Schub erhalten. „Wer mithalten will in einer globalisierten Wirtschaft, braucht einen leistungsfähigen Flughafen.“
Die brandenburgische PDS hat gestern ihre Ablehnung des geplanten Großflughafens in der bisher vorgesehenen Form bekräftigt. „In der geplanten Dimension ist Schönefeld nach allen verfügbaren Daten ein ungeeigneter Standort“, sagte der Landesvorsitzende Ralf Christoffers. Allerdings brauche die Region einen internationalen Airport. Die Berliner PDS-Senatoren haben die Flughafen-Entscheidung hingegen mitgetragen.
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