: Keine Einigung im Wasserdom
USA ziehen auf UN-Gipfel beim Thema Wasser nicht mit. Verbindliche Richtlinien sind nicht in Sicht. Umweltschützer besorgt über Schutz von Wasser
aus Johannesburg MARTINA SCHWIKOWSKI
Unter der riesigen Kuppel des Waterdomes im Norden von Johannesburg glänzen große symbolische Plastikwassertropfen im Lichtspiel der Scheinwerfer. Sie hängen wie eine Mahnung von der gewaltigen Deckenkonstruktion des größten freistehenden Gebäudes in Afrika, verkörpern sie doch das kostbarste Gut. Ein Signal für die Politiker, die bei ihren Debatten über das zentrale Thema des Weltgipfels eine Einigung finden sollen: Wasser – die Quelle des Lebens.
Doch wenn die für durstige Konferenzteilnehmer im Waterdome aufgestellten Wasserhähne wieder abgebaut sind, werden die meisten der knapp eine Million Schwarzen im ärmsten Township Alexandra weiterhin ohne fließendes Wasser auskommen müssen. Dabei liegt Alexandra mit seinen kargen Wellblechhütten auf dicht besiedeltem Wohngebiet nur einen Steinwurf vom exklusiven Gipfelschauplatz Sandton entfernt. Es sind von der Regierung Projekte zur Verbesserung des Lebensstandards in „Alex“ und anderen Schwarzensiedlungen in Südafrika angekurbelt worden. Das Land gilt mit seinen Wassergesetzen und auch in der Versorgung trotz aller Missstände als vergleichsweise vorbildlich. „Wir haben Wasser, wir müssen es nur von den Reichen zu den Armen bringen“, sagte Mike Muller, Staatssekretär im Wasserministerium.
6.000 Liter im Monat pro Familie sind in ärmeren Haushalten umsonst. Davon profitieren zwar 27 Millionen Menschen, es bleiben aber immer noch 8 Millionen in den 70 der 250 Stadtverwaltungen, die keine Vergünstigungen bekommen. Und 7 Millionen leben gänzlich ohne Infrastruktur und Wasser auf dem Land.
Die Mehrheit der Bevölkerung in unterentwickelten Ländern ist noch weit davon entfernt, ihr Menschenrecht auf Wasser wahrnehmen zu können. Ein Recht, das der frühere Präsident Nelson Mandela bei der Eröffnung des Waterdomes am Mittwochabend als vorrangige Priorität für die Sicherung der Zukunft herausstellte. Zum Millennium hatten die Vereinten Nationen sich das Ziel gesetzt, die Zahl der Bevölkerung, die keinen Zugang zu frischem Wasser hat, bis 2015 zu halbieren. 1,1 Milliarden Menschen fehlt sauberes Wasser, und 2,5 Milliarden leben ohne Sanitäranlagen. Täglich sterben 6.000 Kinder an Krankheiten, die durch verunreinigtes Wasser verursacht werden.
Ziel des UN-Gipfels in Johannesburg ist es, durch Partnerschaften mit dem privaten Sektor und Initiativen klare Richtlinien für neue Wege in der Umsetzung dieser Aufgabe zu finden. Dabei soll die Einrichtung von sanitären Anlagen unbedingt zusätzlich mit in den Weltkatalog dieser Ziele aufgenommen werden. „Es ist notwendig, Menschen mit Wasser zu versorgen, um die Armut zu verringern. Aber auch Wasserhähne und Toiletten funktionieren nicht ohne Wasser“, sagt Jamie Pittock, Direktor des „Living Waters Programme“ beim World Wide Fund for Nature (WWF International). Die Organisation stimme freiwilligen Partnerschaften auf allen Sektoren zu, solange sie transparent und messbar seien. Ziel müsse aber auch sein, lokale Gemeinden zur Eigenverantwortlichkeit zu bringen und sie dabei durch ein UN-Komitee, den Rat für nachhaltige Entwicklung, überwachen zu lassen.
Der augenblickliche Stand der Verhandlungen bietet jedoch Anlass zur Sorge: Die Vereinigten Staaten wollen sich nicht verpflichten, den Zugang für sanitäre Einrichtungen als gemeinsames Ziel aller Länder zu verabschieden. Trotzdem bieten sie großzügige finanzielle Unterstützung – das allerdings sei bloße Rhetorik, kritisiert der WWF. Japan und Kanada, Mitglieder im US-geführten Block, haben ihre ablehnende Haltung inzwischen aufgegeben und stimmten dem Vorschlag der EU und der G-77-Staaten zu. Die hatten gestern eine Partnerschaftsinitiative zum Ausbau der Wasser- und Energiewirtschaft angekündigt. Dabei sollen öffentliche und private Geldgeber, Experten und ländlichen Gemeinden eingebunden werden. Politiker der EU zeigen sich deswegen optimistisch, in den nächsten Tagen nach Abschluss der Gespräche gute Ergebnisse zu erreichen. So liegt beispielsweise auch ein Regierungsabkommen zwischen der EU und Vertragspartnern in afrikanischen Ländern über 1,5 Milliarden Euro pro Jahr in Johannesburg auf dem Verhandlungstisch.
Umweltschutzgruppen jedoch sind alarmiert: „Der zur Beratung stehende Gesamttext auf dem Gipfel enthält keine Übereinstimmungen zum Schutz der natürlichen Quelle Wasser für Menschen und Natur“, kritisiert Pittock vom WWF. „Außerdem sind wir sehr besorgt, dass es keine Einigung über die kooperative Nutzung von internationalen Flüssen gibt, die momentan von mächtigeren Staaten leer gesogen werden.“
Die blauen Teppiche auf den Gängen im Waterdome symbolisieren die größten Ströme der Erde – auf dem Nil, Ganges, Yangtse, Sambesi, Kongo geht es zu den Konferenzräumen. Wenn die Böden in Kürze wieder eingerollt werden, sind unter Umständen weitere Projekte zur besseren Nutzung der natürlichen Quelle Wasser für alle Erdbewohner ausgehandelt worden. Vorausgesetzt die Politiker der verschiedenen Länder können sich in den verbleibenden Tagen noch auf die vorab signalisierten Botschaften einigen.
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