: Herrenloses Haschisch
Hanf und Gras in Berlin: Hier kann jeder ein Dealer sein und die Polizei muss meistens zuschauen. Die Szene verändert sich ständig und wird von keiner Organisation beherrscht. Eine Momentaufnahme
von DANIEL SCHULZ
Zur Hanfparade befragte die taz getrennt zwei Experten: Beliam (Name geändert) verkauft Haschisch in seinem Bekanntenkreis. Und Rüdiger Engler, Leiter des Referats Rauschgift im Landeskriminalamt Berlin.
taz: Wer verkauft Haschisch?
Beliam: Hier läuft doch alles über Freunde, irgendwer kennt immer einen, der kifft und der hat einen Ticker. Wenn man hier neu ist, quatscht man einen Typen an, der aussieht wie ein Kiffer. Kiffer sind Kiffer, die erkennt man doch überall. Und sonst bleibt noch die Straße oder das Café. Da verkauft so ziemlich jeder. Ich kenne hauptsächlich Deutsche, Spanier und Araber.
Rüdiger Engler: Niemanden, der mir Gift verkauft, würde ich als Freund bezeichnen. Aber es stimmt: Der Kleinsthandel läuft im Bekanntenkreis. Andererseits gibt es auch Organisationen und Banden, die Haschisch verkaufen. An bestimmten Nationalitäten lässt sich das nicht festmachen. Haschischkriminalität gibt es bei Deutschen wie bei Schwarzafrikanern. Bei Heroin liegt dagegen ein beträchtlicher Teil des Handels in der Hand von Kurden oder Türken.
Wo wird verkauft?
Beliam: Auf der Straße wird überall was vertickt. In der Hasenheide, da würde ich hingehen, wenn ich keinen Dealer wüsste. Einfach drei Leute abfragen, Zeug angucken und dann entscheiden. Allerdings sind in der Hasenheide jetzt dauernd Razzien. Dann die Gedächtniskirche am Zoo. Da ist es aber teuer und es gibt oft Scheißqualität. Am Hermannplatz in Neukölln sind zu viele Zivten am Start. Dann ist da noch der Kotti und die Oranienstraße. Am Mariannenplatz haben die Türken das Geschäft von den Afrikanern übernommen, da ist es jetzt unfreundlicher und teurer .
Engler: Die Hauptvorkommenssorte ändern sich mit der Zeit. Einen Haschischatlas kann ich nicht zeichnen, jedenfalls keinen dauerhaften. Aber es ist kein Geheimnis, wenn ich die Hasenheide nenne, die macht derzeit jeden Tag Schlagzeilen. Jede Direktion entscheidet nach aktuellen Erfordernissen, wo sie verstärkt vorgeht.
Was kostet Haschisch, wie viel Geld wird damit verdient?
Beliam: Bei Kumpels zahlt man so für Gras zurzeit vier bis sechs Euro pro Gramm. Und bei Platte sollte es für Stanni nicht über einem Zweifünfziger- oder Dreierkurs liegen. Polle liegt dann schon so bei vier bis fünf Euro. Na, klar kann ich Gras für 3,50 Euro klarmachen, aber wer will das rauchen. Auf der Straße kostet alles bis zu drei Euro mehr, im Café zocken sie dich oft richtig ab. Entscheidend ist auf jeden Fall die Menge. Sollte ich jemals ein Kilo Dope kaufen, dann gäbe es sicher einen Viererkurs und zwar für richtig gutes Do.
Engler: Niemand weiß, wie viel in Berlin verkauft wird, also ist auch nicht zu sagen, wie viel Umsatz mit Haschisch gemacht wird. In diesem Jahr haben wir bis einschließlich Juli 188,4 Kilo Cannabisharz sichergestellt, im Vergleichszeitraum 2001 waren das 211 Kilo. Bei Marihuana konnten wir 111 Kilo aus dem Verkehr ziehen, im Jahr davor waren es 76 Kilo. Aber ein Großzugriff kann die Statistik völlig ändern.
Wie wird bestraft?
Beliam: Es gibt da so eine Berliner Richtlinie zum Betäubungsmittelgesetz: Der Staatsanwalt stellt bei 6 Gramm die Ermittlungen ein, ab 15 Gramm wird auf jeden Fall angeklagt. Wenn sie dich mit einem Heg erwischen, landest du auf jeden Fall vor dem Haftrichter.
Engler: Unser Hauptziel ist nicht das Jagen von Konsumenten. Wir wollen viele Schmuggler und Händler aus dem Verkehr ziehen und die größtmögliche Drogenmenge von der Straße holen.
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