Schills Kalkül: Der Eklat als letzte Wahlchance
Nein: Das war kein Ausrutscher. Kein Fehltritt eines Egomanen, der jeden Bezug zur politischen Realität verloren hat. Der von Schill vor dem Bundestag provozierte Eklat folgt einem nüchternen Kalkül. Einem Kalkül, dass trotz der massiven Schelte, die Schill von seinen Hamburger Koalitionspartnern und der Presse einfuhr, aufgehen könnte.
Kommentar von MARCO CARINI
Die Schill-Partei, finanziell und organisatorisch überfordert, einen bundesweiten Wahlkampf zu führen, hat nur eine Chance: Sie muss - auf Schill komm raus - in die Medien. Da auch die konservative Presse Schill mit Nichtbeachtung straft, aus Angst er könnte Stoiber Stimmen klauen und den Regierungswechsel verhindern, muss er mit starken Reizen und radikalen Parolen arbeiten, an denen die Medien nicht vorbei können. Dabei ist es zweitrangig, ob die Resonanz positiv ausfällt. Jede Beachtung nützt. Wenn 90 Prozent aller Wähler Schills Auftritt ablehnen, aber 10 Prozent ihm zustimmen, ist die Rechnung aufgegangen.
Auch in der Schill-Partei soll der kalkulierte Eklat Wirkung zeigen: Schill will dem Vorwurf seiner Gegner entkommen, er - der Kritiker der Kandidatur - habe den Antrittsbeschluss unterlaufen, indem er im Wahlkampf durch Passivität glänzte.
Dabei muss Schill nicht fürchten, sich mit seinen rassistischen Slogans aus der Koalition zu katapultieren. Denn Ole von Beust hat zu Schill keine Alternative, will er Bürgermeister bleiben.
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