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Bremer in Johannesburg„Vertrauenskrise zwischen Nord und Süd“

Sehnsucht nach Programmatik

Ralf Fücks war grüner Umwelt- und Stadtentwicklungssenator der Bremer Ampelkoalition. In seine Amtszeit fiel der Beginn des Agenda 21-Prozesses, der mit zahlreichen lokalen Initiativen die Vokabel „Nachhaltigkeit“ mit Leben füllte. Gerade kehrte er von einer Reise nach Johannesburg zurück. Dort hat er in seiner Funktion als Vorstandschef der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung am Umwelt-Gipfel teilgenommen.

taz: 1992 fand der erste Nachhaltigkeits-Gipfel in Rio statt, der von Vielen als aufregend empfundene Prozess der Agenda 21 begann. Ist dieser Prozess zum Erliegen gekommen?

Ralf Fücks: Das würde ich nicht sagen. Auf lokaler und nationaler Ebene ist unglaublich viel in Bewegung gekommen. Allerdings gibt es ein schreiendes Defizit auf multilateraler Ebene, was also verbindliche Vereinbarungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern angeht. Da gibt es eine heftige Vertrauenskrise, weil der Norden seine Versprechungen nicht gehalten hat.

Die Entwicklungshilfeetats sind nach Rio sogar noch weiter geschrumpft. Zweites – lokales – Beispiel: In Bremen sollte der CO2-Ausstoß um 25 Prozent reduziert werden, mittlerweile ist man bei gerade sechs Prozent. Woher soll das Vertrauen in die Nachhaltigkeits-Vokabel kommen?

Was Johannesburg betrifft: Politische Absichtserklärungen sind nur noch etwas wert, wenn sie mit konkreten Aktionsprogrammen unterfüttert werden, mit Zielen, Maßnahmen und Finanzierungen. Zweitens: In den letzten zehn Jahren hat Globalisierung über nachhaltige Entwicklung dominiert. Im Ergebnis hat sich sowohl die ökologische Krise wie die Kluft zwischen arm und reich verschärft. Wir brauchen soziale und ökologische Auflagen für transnationale Unternehmen. Das wird die große Auseinandersetzung.

Hat die Böll-Stiftung hat ein Papier zum Gipfel vorgelegt?

Wir haben schon vor zwei Jahren Intellektuelle aus zwölf Ländern gebeten, ein Manifest zu schreiben. Der Kern ist die Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und globalem Umweltschutz. Das ist die zentrale Publikation des Gipfels geworden, weit über das Spektrum der NGO hinaus. Es gibt ein großes Bedürfnis nach einer programmatischen Perspektive. Die NGO haben sich in den letzten Jahren sehr spezialisiert ...

Wie wird Johannesburg sich lokal auswirken?

Die Begeisterung von Rio gibt es nicht mehr. Aber ich hoffe, dass der Gipfel die Idee gemeinsamer globaler Verantwortung stärkt. Die Reduzierung von Energie- und Ressourcenverbrauch im Norden bleibt ein Thema, das man auch lokal beeinflussen kann.

Muss das lokal neu vermittelt werden?

Es gibt in Bremen viel Potenzial und es wäre eine Aufgabe des Senats, Mittel bereitzustellen, die dieses Potenzial noch besser bündeln. Ich halte es für unverzichtbar, dass Umwelt- und Dritte-Welt-Initativen mit dem Senat und der Wirtschaft an einem Tisch sitzen und verbindliche Vereinbarungen treffen. Bla bla gab es in den letzten Jahren genug. Fragen: hey

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