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Die Ordnung von Suburbia

Lidokino (5): Todd Haynes’ Melodram „Far From Heaven“ sucht in den Farben der Fünfzigerjahre die Gegenwart

Zu Beginn der Mostra stellte der nimmermüde Steven Soderbergh einen neuen Film vor: „Full Frontal“, eine Fingerübung über das Filmbusiness, selbstreflexiv in der Potenz. In einer Szene sitzen Julia Roberts und Blair Underwood auf dem Rücksitz eines Autos; er beginnt einen Rap über die beschränkten Möglichkeiten eines schwarzen Schauspielers: Der dürfe zwar in den Actionfilmen mitmischen, er dürfe den Komiker geben und den Bad Guy. Doch was er sich am meisten wünsche, bleibe ihm verwehrt: „to be loved“, umarmt zu werden, geküsst, geliebt von einer Weißen.

Von dieser Szene führt ein Zeitsprung um 45 Jahre zu einem anderen Film: zu Todd Haynes’ Melodram „Far From Heaven“. Man schreibt das Jahr 1957 in Hartford, Connecticut. Die Bäume glühen im klaren Herbstlicht, alles hat seine Ordnung in Suburbia. Eine weiße Frau kommt heim von ihren Einkäufen, ihr schwarzes Dienstmädchen empfängt sie, die Kinder, ein Junge und ein Mädchen, spielen im Vorgarten. Im Haus beginnen die Vorbereitungen für das Abendessen. Allein der Familienvater fehlt.

„Far From Heaven“ ist kein period piece in dem Sinne, dass eine vergangene Zeit rekonstruiert würde. Vielmehr rekonstruiert der Film – ähnlich wie François Ozons „8 Femmes“ – die Filme jener Zeit, mithin die Fiktionen, die sich diese Zeit von sich selbst machte. Es sind dies die Melodramen der 50er-Jahre mit ihrer abundanten Farbigkeit, ihrem Suburbia-Setting, ihren indirekten Kameraeinstellungen und ihren Konflikten, die weniger die der einzelnen Figuren sind, sondern solche, die perönliches Leid und gesellschaftliche Kondition zu Knoten verschränken. Die zentrale Figur in diesen Filmen ist die Frau, die ihr Verlangen opfert.

In „Far From Heaven“ heißt diese Frau Cathy Whitaker und wird von Julianne Moore gespielt. Man mag kaum glauben, dass Moore die Pornoqueen in „Boogy Nights“ gab, so überzeugend hat sie sich hier in die weiße Mittelschichtshausfrau der 50er-Jahre verwandelt – und auch in Schauspielerinnen wie Lana Turner oder Jane Wyman, die vor 50 Jahren solche Figuren verkörperten. Man mag außerdem kaum glauben, wie sicher Haynes das Sublime des Melodrams in seinen Film treibt, wie er dessen perfekte Künstlichkeit, dessen Überschuss an Inszenierung adaptiert und zugleich so wenig braucht, um etwas zu zeigen. Ein Blickwechsel, das Muster einer Tapete oder ein Schweigen im entscheidenden Augenblick reichen.

Haynes lässt zwei Dinge in Cathy Whitakers Leben eindringen: die Homosexualität ihres Mannes Frank Whitaker (Dennis Quaid) und ihre Zuneigung zu dem neuen Gärtner, Raymond Deagan (Dennis Haysbert). Deagan ist schwarz, und daher ist schon ein Gespräch der beiden während einer Ausstellungseröffnung ein Skandalon, das fortan weder den rechtschaffenen Bürgern Hartfords noch Deagan und Whitaker Ruhe lassen wird. „Far From Heaven“ belässt diesen Konflikt nicht in der Vergangenheit. Dass die Hautfarbe eine Barriere darstellt, wird nicht etwa eingekapselt in den starken Farben des Melodrams, eher wird es gerade über diese Farben in die Gegenwart katapultiert: wenn man denn will, bis in das Taxi, in dem Julia Roberts und Blair Underwood nebeneinander sitzen und sich nicht küssen.

Vor einem Bild Mirós sagt Deagan, dass er andere Welten kennen lernen und betreten wolle – „mixing in other worlds“. Die Kleinstadt Hartford wird ihm das nicht gestatten, wie sie es auch Cathy Whitaker verwehrt. Wenn es trotzdem einen Trost gibt, so liegt er darin, dass das Kino in seinen guten Momenten eben dies möglich macht: dass man andere Welten kennen lernt, dass man Differenz entdeckt und aushält. CRISTINA NORD

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