Razzia ohne Befehl

Prozess gegen einen Sozialarbeiter, der Strafverfolgung gegen einen Schützling vereitelt haben soll

Rechtsanwalt Manfred Getzmann nennt es die „Erfüllung von Bürgerpflichten“: Als die Polizei am 27. Februar 2002 in einer Jugendwohnung in Poppenbüttel das Zimmer von André L. (Name geändert) durchsuchen wollte und keinen Durchsuchungsbefehl vorlegen konnte, weigerte sich Sozialarbeiter Heiko Lange, den Beamten das Zimmer zu zeigen. Die Staatsanwaltschaft nennt das „Strafvereitelung“. Seit gestern verhandelt das Amtsgericht über den Fall.

Dass Lange die Ahndung einer Straftat behindert haben soll, setzt voraus, dass eine solche überhaupt begangen wurde. Laut Staatsanwaltschaft hat André L. zuvor versucht, mit einem falschen Pass beim Elektronikkaufhaus Brinkmann Handyverträge abzuschließen. Das Verfahren ist aber vorläufig eingestellt.

Gestern erinnerte sich weder die als Zeugin geladene Verkäuferin an den Vorfall, noch der Polizeibeamte, der André L. damals festnahm. Sein Kollege weiß zwar noch, dass Brinkmann-MitarbeiterInnen die Polizei gerufen hätten, weil André L. falsche Papiere vorgelegt haben soll. Ihn selber habe er aber nicht zu dem Vorwurf befragt, ehe er einen Richter telefonisch um eine Genehmigung für die Zimmerdurchsuchung bat.

Getzmann beantragte deshalb, das Verfahren einzustellen, und auch der Richter war nach der Vernehmung der ersten drei ZeugInnen der Ansicht, dass die erforderliche „strafbare Vortat“ nicht nachzuweisen ist. Die Staatsanwältin schloss sich zunächst dieser Einschätzung an, musste aber Rücksprache halten mit ihren Vorgesetzten, die die Durchführung des Verfahrens zuvor angeordnet hatten.

Die bestanden auf der harten Linie: Dass André L. bei Brinkmann keinen versuchten Betrug begangen habe, sei „lebensfremd“, argumentierte die Staatsanwältin auf Geheiß. Das Verfahren wird fortgesetzt.

Elke Spanner