: Keine Verantwortlichen für den Tod
Vier Jahre nach dem tödlichen Unfall von drei Türken auf dem ehemaligen AEG-Gelände in Hastedt stehen zwei Abriss-Bauleiter wegen fahrlässiger Tötung vor dem Amtsgericht. Dort versuchten sie, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben
Im Juli 1998 stürzten drei Schwarzarbeiter am Hastedter Osterdeich zu Tode: Bei Abrissarbeiten auf dem ehemaligen Lloyd Dynamo/AEG-Gelände hatten sie ab vier Uhr früh Bitumenpappe von einem Hallendach entfernt. Beim Abstemmen der Platten brachen tragende Teile weg, die Arbeiter fielen 15 Meter in die Tiefe. Vor dem Bremer Amtsgericht wird seit gestern gegen zwei Vertreter von Abriss-Unternehmen wegen fahrlässiger Tötung verhandelt. Reiner A. und Hartmut K. bezichtigten sich gegenseitig und wuschen ihre Hände in Unschuld.
Die drei Opfer bildeten das Ende einer bizarren Subunternehmerkette: Als Generalunternehmer für Abriss des Industriegeländes und Neubau eines Einkaufzentrums fungierte die holländische Industriebaufirma „ten Brinke“. Diese delegierte die Arbeiten an eine Firma aus dem brandenburgischen Stahnsdorf, bei der K. arbeitete. K.s Chef gab den Abriss der Hallen an ein Chemnitzer Unternehmen weiter, für das A. als verantwortlicher Bauleiter auftrat und für Arbeiten wie das Entfernen der Dachpappe einen weiteren Subunternehmer verpflichtete – einen türkischen Geschäftsmann, der wiederum Arbeiter auf der Straße angeheuert haben soll.
Der Angeklagte A., der derzeit eine Haftstrafe für eine andere Straftat verbüßt, versuchte das Gericht davon zu überzeugen, dass er für den Abriss aller Hallen auf dem Gelände verantwortlich gewesen sei – mit Ausnahme der Unfall-Halle. Erst am Tag nach dem Unglück habe seine Firma den Abriss „komplett übernehmen“ wollen. Dass der Brandenburger Subunternehmer „aus irgendwelchen Gründen“ schon eine Woche vorher begonnen habe, Teile der Halle rückzubauen, sei nicht sein Bier. K. wiederum beteuerte, der Abriss aller Hallen sei in die Verantwortung von A. gefallen. Er selbst sei überdies nicht Bauleiter der Baustelle gewesen, sondern nur „eine Art Hausmeister und Schrottbeauftragter“. Er sei vom Geschäftsführer seiner Firma angewiesen worden, schon vor dem Beginn der Abrissarbeiten durch A. einen Teil der späteren Unfall-Halle demontieren zu lassen: „Mein Chef hat mich im Prinzip vergewaltigt, det Ding umzunieten“, sagte K.
Ein Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamts berichtete im Prozess von seinem „Gefühl“, dass K. „auf der Baustelle nichts zu melden“ gehabt habe. Alle wichtigen Dinge seien zwischen K.s Chef und A. besprochen worden. Diese hätten sämtliche Arbeitgeberpflichten krass vernachlässigt.
Am Nachmittag begann das Gericht mit der Vernehmung von türkisch-kurdischen Arbeitskollegen der Opfer. Obwohl sie sowohl A. als auch K. auf die Sicherheitsmängel aufmerksam gemacht hätten, sei nichts unternommen worden, berichtete einer der Zeugen. Markus Jox
Heute um 9 Uhr Fortsetzung im Amtsgericht
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen