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Prinzip Hoffnung

Riester: Erste Serviceagenturen ab nächster Woche. Und im Herbst naht der „Konjunkturfrühling“

BERLIN taz ■ Was macht eine Regierung, wenn Wahlkampf ist und schlechte Nachrichten drohen? Man tritt vor die Presse und verbreitet Positives.

Diesmal galt es, die Arbeitslosenzahl für August abzuwehren, die heute veröffentlicht wird. Wieder dürften mehr als 4 Millionen Menschen ohne Job gezählt worden sein. Also verkündete Arbeitsminister Walter Riester (SPD) gestern, dass das Kabinett „vier ganz wichtige Entscheidungen“ getroffen habe, um die Hartz-Vorschläge für den Arbeitsmarkt umzusetzen.

Erstens: Schon nächste Woche kann die erste Personal-Service-Agentur „direkt starten“. Von diesen Verleihfirmen soll es bis Jahresende bundesweit 50 geben; bis Mitte 2003 werden alle 181 Arbeitsämter darüber verfügen. Mit Gewerkschaften und Zeitarbeitsfirmen wurde bereits ein erstes Gespräch geführt, um einen Tariflohn auszuhandeln.

Zweitens: Auch die ersten Job-Center sollen „in Kürze“ existieren. Es sind gemeinsame Anlaufstellen der Arbeitsämter und der Sozialhilfeträger.

Drittens: Der Job-Floater ist ebenfalls noch für dieses Jahr geplant. Kleine Betriebe können günstige Kredite erhalten, wenn sie Arbeitslose dauerhaft einstellen.

Viertens: Im Oktober wird ein Modellprojekt für eine JobCard ausgeschrieben. Diese elektronisch lesbare Signaturkarte soll die Verwaltung der Arbeitslosen beschleunigen.

Diese mediale Offensive hat jedoch nicht verhindert, dass gestern Kontroversen im Umfeld der Regierung deutlich wurden. So beim Bundeszuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit: Schon vor einem Monat hatte Arbeitsamtschef Florian Gerster (SPD) angekündigt, dass die im Haushalt vorgesehenen 2 Milliarden Euro nicht ausreichen würden und dass er wahrscheinlich 3,5 Milliarden Euro brauche. Gestern rechnete nun auch DGB-Vizin Ursula Engelen-Kefer (SPD) damit, dass der Bundeszuschuss steigen muss. Doch Riester dementierte weiter: „Der Herbst wird ein Konjunkturfrühling.“

Meinungsverschiedenheiten zeigten sich auch mit DGB-Chef Michael Sommer, ebenfalls SPD. Er forderte gestern ein Investitionsprogramm von mindestens 10 Milliarden Euro und plädierte für höhere Schulden – obwohl dies den Euro-Stabilitätskriterien widerspricht. Kanzler Schröder nannte den Vorstoß „überflüssig“. ULRIKE HERRMANN

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