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Freie Fahrt für private Bahnrivalen

Bahnchef Hartmut Mehdorn drängte die Regierung, zulasten der Konkurrenz Nahverkehrsstrecken nicht mehr auszuschreiben. Wirtschaftsminister Müller stand auf seiner Seite – doch nun scheint das Ansinnen der Deutschen Bahn trotzdem zu scheitern

von HANNA GERSMANN

Einen „politischen Handstreich“ nannte gestern Michael Holzhey von der Initiative „Mehr Bahnen, Berlin“, was die Bundesregierung vorhat: das Wettbewerbsrecht zu Gunsten der Deutschen Bahn ganz nebenbei noch vor der Bundestagswahl zu ändern. Das sah ein Entwurf des Wirtschaftsministers Müller (parteilos) vor, der in den letzten Tagen für Wirbel gesorgt hat. Danach hätten die Länder Aufträge an die Deutsche Bahn AG oder Konkurrenten künftig ohne Ausschreibung vergeben können. Gegenüber der DB, mit Abstand größter Anbieter von Nahverkehrszügen, hätten die kleineren Wettbewerber dann vermutlich den Kürzeren gezogen.

Die kommen aber gerade in Fahrt: 8 Prozent der Gleise haben sie bereits erobert. Zum Beispiel ist der Ableger des französischen Mischkonzerns Vivendi, Connex, im Nahverkehr bereits eine beachtliche Größe, weshalb ihn die Deutsche Bahn mit Misstrauen beäugt. Als Connex dann auch noch gegen einen DB-Exklusivvertrag in Sachsen-Anhalt erfolgreich klagte, erhöhte Bahnchef Hartmut Mehdorn den politischen Druck – mit einem Brief ins Kanzleramt.

Mehrfach hatte er bereits mit Entlassungen, weniger Investitionen ins Netz und in Bahnhöfe gedroht. Schnell wollte der Wirtschaftsminister in Absprache mit dem Verkehrsminister die schützende Hand über den Staatskoloss legen.

Doch so leicht wollen sich die privaten DB-Konkurrenten nicht geschlagen geben. Und offenbar ist das auch gar nicht nötig. Denn nun wurde ein Kompromiss gefunden: In den nächsten zwei bis drei Jahren können Verträge über maximal zehn Jahre frei vergeben werden. Doch muss festgelegt sein, dass die Strecken nach und nach ausgeschrieben werden.

Nicht nur die privaten Konkurrenten fordern mehr Wettbewerb. Der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Albert Schmidt, wandte sich an den mitverantwortlichen Verkehrsminister Kurt Bodewig. Pro Jahr wird der deutsche Schienenpersonenverkehr mit mehr als 6,5 Milliarden Euro Steuergeldern unterstützt. Da müsse beste Qualität zum günstigsten Preis gefordert werden, meinte Schmidt. Sprich: Wettbewerb. Allein aus rechtlichen Gründen.

Er stützte sich auf Rechtsanwalt Eckhard Bremer. Dessen Urteil: „Diese Lex DB ist nicht mit geltendem Wettbewerbsrecht vereinbar.“ So hätten auch die Magdeburger Richter der Connex-Klage Recht gegeben, weil der Vertrag mit der DB ohne Ausschreibung zustande gekommen war. In einem anderem Fall hatte auch das Oberlandesgericht Düsseldorf die Auffassung vertreten, dass Nahverkehr ausgeschrieben werden müsse. Selbst im Europarecht sei das verankert.

Der Entwurf stieß auch bei den Bundesländern auf Widerstand. Der Sprecher des nordrhein-westfälischen Verkehrsministeriums Karl-Alois Bläser bestätigte der taz: „Wir wollen, dass die Bahn Konkurrenz hat.“ Noch vehementer setzen sich dafür Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz ein.

„Man hat sich erheblich aufeinander zubewegt“, sagte Schmidt gestern. Der gefundene Kompromiss sei ein stufenweiser Übergang von einem starken Player zu mehreren Eisenbahnunternehmen im Wettbewerb. Momentan seien die privaten Unternehmer zu weiten Teilen noch gar nicht fähig, die großen Aufträge zu erfüllen. Deshalb handele es sich um einen „realistischen Kompromiss“. Die Deutsche Bahn hingegen wollte sich gestern noch nicht zu dem neuen Entwurf äußern.

Ungeklärt bleiben weiterhin die Rechtsfragen. Holzhey, der sich zwar über die zeitlichen Beschränkungen freute, kündigte für die privaten Verkehrsanbieter an: „Sollte der Entwurf durchkommen, würden sie noch einmal alle rechtlichen Schritte prüfen.“

Bis es so weit ist, muss die Rechtsverordnung am 11. September ins Bundeskabinett und danach noch vom Bundesrat beschlossen werden.

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