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Spanischkurs im Sattel

Daniel Becke, Olympiasieger im Bahnvierer von Sydney, ist in seinem zweiten Jahr als Straßenprofi der einzige deutsche Radler des Essener Team Coast bei der beschwerlichen Rundfahrt durch Spanien

von JÖRG FEYER

Drei Wochen am Stück auf dem Rad sitzen, diese Vorstellung hat für Daniel Becke schon „ein bisschen was Perverses“, wie er lachend einräumt. Aber „sehr froh“, dass er sich sportlich für die Perversität namens Vuelta qualifizieren konnte, ist der 24-jährige Erfurter natürlich trotzdem. Es wird die erste große Rundfahrt für den Bahnvierer-Olympiasieger von Sydney in seinem zweiten Jahr als Straßenprofi. Und er wird der einzige Deutsche sein, der ab heute für das Essener Team Coast in die Pedale tritt. „Das sehe ich nicht als Nachteil“, sagt Becke. „Im Gegenteil: Da muss ich mich weiter mit der Sprache auseinander setzen.“

Spanisch ist mindestens erste Fremdsprache bei Coast. Gestandene Matadoren wie David Plaza und Angel Casero legten denn auch „ein gutes Wort für mich ein“ (Becke). Dabei kam ihm das Streckenprofil der Spanien-Schleife zugute, die in Valencia gleich mit einem Mannschaftszeitfahren startet. Noch im Frühsommer hatte Coast die Katalonien-Rundfahrt mit vier Fahrern in den Top Ten zwar dominiert, aber nicht gewonnen, weil in der gefürchteten Team-Disziplin entscheidende Sekunden verlorengingen. Das soll in der Vuelta mit dem guten Zeitfahrer Becke nicht mehr passieren, zumal man im lange verletzten Casero sogar den Vorjahressieger stellt und ein guter Auftritt in dessen Heimat endgültig die Top-Ten-Platzierung in der Weltrangliste und damit den ersehnten Start bei der nächsten Tour de France sichern würde. Zudem soll Becke für Fabrizio Guidi die Sprints anfahren. Das passt: Der erfahrene Profi ist der einzige Coast-Italiener in Spanien.

In den Bergen heißt es dagegen für Becke „nur durchkommen, genau.“ Er lacht. „Das ist ’ne echte Aufgabe! Ankommen, Kraft sparen, Zeitlimit einhalten.“ Das war auch insgesamt seine Devise im ersten Profijahr, welches obendrein im ersten Coast-Jahr „ohne Erfahrungswerte“ (Becke) chaotisch organisiert war. Immerhin wurde Becke nicht verheizt wie Robert Bartko. Sein Exkollege aus dem Gold-Vierer musste für Team Telekom gleich bei mörderischen Eintagesklassikern wie Paris–Roubaix in den Lenker beißen und konnte sich auch im zweiten Jahr nicht durchsetzen. Bartko, dessen Verpflichtung für Telekom im Wettbewerb mit Coast eher konzernpolitische Motive hatte, wird nach dieser Saison zu Rabobank nach Holland wechseln.

Daniel Becke konnte die Belastungsumstellung behutsamer angehen. „Erst jetzt ist die physische Reife und Erfahrung da für solche Anforderungen. Man muss auch erst ein Gespür für richtige Radrennen entwickeln. Wann muss man fahren? Wann kann man mitrollen?“ Er sei zwar auch früher Straßenrennen gefahren, „aber das war dann nur Training für die Bahn. Die Zielsetzung hat sich komplett verschoben, denn im Straßenprofigeschäft ist Kontinuität gefragt. Da kann man es sich nicht leisten, drei Tage am Stück Gruppetto zu fahren. Sonst kann man seinen Wert für die Mannschaft ja nicht rüberbringen.“ Allerdings sei sein Lernprozess „noch längst nicht abgeschlossen“.

Der soll bei Coast weitergehen; ein neuer Einjahresvertrag ist unterschriftsreif. Darüberhinaus gibt es Gesprächsbedarf, weil der Erfurter zwar momentan beide Beine voll auf der Straße hat, aber mit einem Auge auch auf Olympia 2004 und eine Fortsetzung der so erfolgreichen Bahnkarriere schielt. Becke: „Es wäre dumm von mir zu sagen, mit meinem Talent für die Bahn lass ich die jetzt völlig außen vor.“ Und da dann selbst für einen Olympiasieger wie Daniel Becke Qualifikationen anstehen und „beides so’n bisschen nicht geht, weil die muskuläre Anforderung viel zu verschieden ist“, wird sie sich irgendwann stellen. Die Frage nämlich, „wie das Team das dann sieht“.

Vielleicht sieht das Team ja schon nach seiner Vuelta-Premiere klarer. Bei der will sich Daniel Becke „einfach etablieren“, wobei er auf ein ähnliches Schlüsselerlebnis wie bei seinem Debüt in der Portugal-Rundfahrt hofft. „Nach fünf Tagen war mir nicht klar, wie ich die zwei Wochen überstehen soll. Vom Beinschmerz her, von der Ausbelastung. Und dann die Erfahrung zu machen, dass es am 8. Tag wieder besser geht und man am 12. besser Rad fährt als am 2. – das war schon phänomenal.“ Und auch ein bisschen pervers.

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