: Frankreich entdeckt die Solarenergie
Die Franzosen suchen den Schulterschluss mit der deutschen Solarwirtschaft. 4.600 Euro gibt es als Zuschuss für jedes Kilowatt installierter Leistung. Doch von einer Dynamik wie in Deutschland ist man noch ein gutes Stück entfernt
Wenn die beiden Franzosen André Joffre und Richard Loyen nach Deutschland blicken, dann kommt schon mal ein Hauch von Neid auf. Denn die beiden sind Vertreter des französischen Solarbranchenverbandes Enerplan – und ihr heimischer Solarmarkt ist von einer Dynamik, wie man sie in Deutschland erlebt, noch ein gutes Stück entfernt.
Das war nicht immer so. „Anfang der 80er-Jahre war Frankreich in der Solarthermie führend“, sagt Verbandspräsident Joffre, „damals wurden in Frankreich jährlich achtmal so viel Kollektoren installiert wie in Deutschland.“ Doch dann sei der Markt im Land komplett zusammengebrochen – solare Wärme galt als überholt. So war in den 90er-Jahren in Frankreich die Anzahl der Kollektoranlagen, die außer Betrieb genommen wurden, größer als die Zahl der Neuinstallationen.
Doch jetzt herrscht in Frankreich wieder Aufbruchstimmung. Entsprechend suchte Enerplan in diesem Sommer den Schulterschluss mit dem deutschen Pendant, dem Deutschen Fachverband Solarenergie (DFS). Eine Kooperation soll künftig beiden Seiten nutzen – was auch Gerhard Stryi-Hipp, Geschäftsführer des DFS, sehr begrüßt. Denn längst gibt es für ihn keine Zweifel mehr daran, dass „der Solarmarkt in Frankreich sich in den kommenden Jahren sehr dynamisch entwickeln wird“.
Tatsächlich kommt plötzlich selbst im atomfixierten Frankreich Bewegung in die Solarwirtschaft; ausgelöst durch Zuschüsse, die der Staat seit zwei Jahren im Rahmen des „Plan Soleil“ über die nationale Energieagentur ADEME (Agence de l’Environment et de la Maitrise de l’Energie) für Kollektoren gewährt. Für Flächen von 2 bis 3 Quadratmeter werden pauschal 690 Euro bezahlt, bei bis zu 5 Quadratmetern gibt es 920 Euro, und bei Anlagen bis 7 Quadratmeter 1.150 Euro. Zugleich wurde die Mehrwertsteuer für Solaranlagen auf 5,5 Prozent reduziert. Langfristiges Ziel ist die jährliche Installation von einer Million Quadratmeter Kollektoren – mehr als derzeit in Deutschland.
Der Weg dorthin ist jedoch noch weit. Im vergangenen Jahr wurden in Frankreich kaum mehr als 29.000 Quadratmeter Kollektoren installiert – und davon gerade 12.000 in Zentralfrankreich, der Rest in den französischen Übersee-Departements. Im Vergleich zu 1999, als in Zentralfrankreich gerade 450 Quadratmeter installiert wurden, ist das Wachstum gleichwohl deutlich.
Die Chancen, dass es gelingt, den Markt aufzubauen, sind gut: „Frankreich hat zweifelsfrei das Potenzial, innerhalb der kommenden zehn Jahre zu Deutschland, Österreich und Griechenland weiter aufzuschließen“, urteilt eine aktuelle Studie der Deutschen Energie-Agentur (Dena) zusammen mit der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft und dem Berliner Institut Eclareon. In dieser Studie mit dem Titel „Sunrise 2002“ wurden die europäischen Solarmärkte untersucht – mit dem Fazit, „dass sich Solarenergie und Atomkraft im Bewusstsein der Franzosen als Alternativen nicht ausschließen“.
Bislang freilich schien es so, als werde Solarstrom in Frankreich geradezu boykottiert. Im Jahr 2000 – neuere Zahlen liegen noch nicht vor – wurden im ganzen Land nur 2,2 Megawatt Solarzellen installiert. Und von dieser bescheidenen Leistung machen einen großen Teil die Inselsysteme aus – gerade 300 Kilowatt entfallen auf netzgekoppelte Anlagen. „Sunrise 2002“ beziffert die derzeitige Anzahl der netzgekoppelten Solaranlagen in Frankreich auf magere 200 Stück, bei Leistungen zwischen jeweils 0,6 und 3,5 Kilowatt.
Doch diese Minibeträge werden bald Geschichte sein. Denn seit Anfang des Jahres sieht in Frankreich auch die Welt des Solarstroms anders aus: Die ADEME hat ihre Photovoltaik-Förderprogramme, die zuvor nur für Inselanlagen ausgeschrieben waren, auf netzgekoppelte Anlagen ausgedehnt. So gibt es seither bei einer Leistung bis 5 Kilowatt einen Zuschuss von 4.600 Euro je Kilowatt.
Und seit März muss der Netzbetreiber zudem eine Einspeisevergütung nach dem Vorbild des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes bezahlen; sie liegt bei 15,25 Cent pro Kilowattstunde im europäischen Frankreich, und bei 30,5 Cent in den Übersee-Departements und auf Korsika – für 20 Jahre garantiert. Damit dürfte ein kräftiger Aufschwung zu erwarten sein, zumal die Sonne in Frankreich noch intensiver scheint: Bis zu 1.500 Kilowattstunden je Quadratmeter liefert sie jährlich in Teilen des Landes.
Obwohl der jüngste Regierungswechsel in der Branche kurzzeitig Verunsicherung hervorrief, ist die Stimmung in der französischen Solarszene nach wie vor gut. Man sehe keine akute Gefahr durch die neue Regierung, heißt es. Schließlich habe auch in Frankreich die Solarenergie inzwischen „ein sehr gutes Image“. BERNWARD JANZING
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