Mr. Aufschwung geht von Bord

Lothar Späth, Schattenminister der Union für Wachstum und wirtschaftlichen Weitblick, hat offenbar schon vor der Wahl die Lust verloren. Stoiber ignoriert Späths Absage – und schimpft über „unfaire“ Wahlempfehlungen von DGB-Chef Sommer

von CHRISTIAN FÜLLER

Die Tage von Lothar Späth in der Politik scheinen gezählt. Das Mitglied des so genannten Kompetenzteams von Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) hat der Jenoptik AG signalisiert, er könne im kommenden Jahr Chef des Aufsichtsrats werden. Die Leipziger Volkszeitung zitiert in ihrer heutigen Ausgabe Zeugen, Späth habe die Chance dazu als „ziemlich sicher“ bezeichnet. Derzeit leitet der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident das operative Geschäft des Thüringer Vorzeigeunternehmens Jenoptik.

Der vermeintliche Superminister für Wirtschaft und Arbeit würde damit noch zwei Wochen vor der Bundestagswahl aus dem Kabinett Stoibers ausscheiden. Die Berufung des Cleverles hatte die Stoiber in Umfragen attestierte gleichbleibend hohe Kompetenz für wirtschaftlichen Aufschwung und mehr Jobs unterstrichen. Späth dementierte die Leipziger Zeitung. Er stehe im Falle eines Wahlsiegs weiterhin als Minister „zur Verfügung“, ließ er gestern verbreiten.

Zweifel an Späths politischer Zukunft waren bereits zuvor aufgekommen. Der andere Multiminister in spe, Horst Seehofer (CSU), solle demnach wichtige Kompetenzen Späths erhalten, hieß es. Wenn Seehofer zu Sozialem und Gesundheit aber auch noch die Zuständigkeiten für Arbeit zugesprochen bekäme, wozu dann noch einen Minister für Aufschwung namens Späth?

Edmund Stoiber selbst pries Späth unterdessen weiter als den Garanten dafür an, „dass wieder investiert und eingestellt wird“. Die Union werde mit ihm als Arbeits- und Wirtschaftsminister die verheerende Bilanz des Kanzlers verbessern, sagte Stoiber am Samstag. Angesichts von vier Millionen Arbeitslosen dürfe „Schlusslichtkanzler“ Gerhard Schröder keine Verlängerung bekommen.

Die Gewerkschaften haben unterdessen Edmund Stoiber ungewöhnlich scharf angegriffen. DGB-Chef Michael Sommer warf der Union in Dortmund vor, mit ihren Vorschlägen die Tarifautonomie zerstören zu wollen. Wer wie Stoiber in seinem Wahlprogramm betriebliche Bündnisse für Arbeit möglich mache, der gefährde den Flächentarifvertrag. „Wer das macht, der kriegt Ärger“, sagte Sommer vor rund 11.000 Teilnehmern der Kundgebung – und drohte mit Massenprotesten.

Eine ausdrückliche Wahlempfehlung gab der DGB nicht. „Wir appellieren an die Wählerinnen und Wähler: Bitte prüfen Sie, wer für Arbeit und soziale Gerechtigkeit eintritt“, sagte Sommer, „gehen sie wählen!“ Die Arbeitnehmer sollten bei der Stimmabgabe prüfen, was ihnen mehr gebracht habe, forderte Sommer – „die neoliberale Deregulierungspolitik von Kohl und Rexrodt oder der couragierte Versuch von Rot-Grün, die Gesellschaft sozial gerecht zu modernisieren“.

Stoiber warf den Gewerkschaften daraufhin plumpe Parteilichkeit vor. Soziale Gerechtigkeit sei für die SPD ein Fremdwort geworden. Auch bei der Arbeitslosigkeit habe Schröder versagt – dennoch unterstützten die Gewerkschafter Schröder im Wahlkampf, klagte der CSU-Kandidat. Stoiber bot den Gewerkschaften seine Partnerschaft an, aber „Unfairness lasse ich mir nicht gefallen“. (mit AP)