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Die Freischwimmer

Kein Kunststück: Nach dem starren Erstversuch wurden beim zweiten Durchgang des TV-Duells Kontrahenten wie Moderatorinnen etwas lockerer. Das Format hat sich dennoch fest etabliert

von STEFFEN GRIMBERG

„Momentan wird hier die Landesgartenschau ausgerichtet, es gibt den ältesten Kanal der Welt in der Nähe – und viele junge Leute, die sich heute Abend im ‚Club am Walde‘ versammelt haben und die durchaus bereit sind zu wählen.“ – Nachrichtenkompetenz, das zeigt das zweite und vorerst letzte TV-Duell, ist in der ARD zu Hause. Ob beim live übertragenen Ortstermin im schlichten Jugendtreff in Eberswalde, wo neben hoher Arbeitslosigkeit eben auch eine Gartenschau grassiert. Oder beim Duell-Warm-up in München, wo es natürlich schicker zugeht als in der brandenburgischen Provinz: Hier grüßte die ARD aus dem Schwabinger „Café Reitstall“, denn hier haben sich nicht nur Babs und Boris kennen gelernt, auch „Fürstin Gloria ist hier verkuppelt worden“ mit ihrem Turn und Taxis. Gut zu wissen.

Talk-Routine

Denn schließlich geht es um „alles oder nichts“ (ARD-Anmoderation), auch wenn sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht ganz getraut haben, „ihren“ Duellabend als das zu inszenieren, was er war: ein TV-Event eben. Und so wünscht sich ein im „Reitstall“ einsitzender Beobachter des Volkes auch ganz richtig „gute Unterhaltung“.

Für das Fernsehen war es auf jeden Fall ein bisschen wie Weihnachten: Der zweite Durchgang des TV-Duells gelang erwartungsgemäß besser als der steife Erstversuch. Denn trotz nach wie vor gültigen engen Reglements und nachrichtlich-königsblauer Studiodekoration ist so ein „Fernsehstreitgepräch“ mehr Talk als News. Und der Anchorman-Duktus eines Peter Kloeppel der Routine der Polittalkerinnen Maybrit Illner und Sabine Christiansen nicht gewachsen.

Zwar drohten beide anfänglich an ihren viel zu lang verschachtelten Fragen zu ersticken, was Stoiber und Schröder auf ihre Weise nutzen. Der Kanzlerkandidat der Union, um souverän an jedem Fragekern vorbei – und diesmal ohne peinliches Dauergrinsen – die vier Millionen Arbeitslosen zu bemühen. Und der Amtsinhaber, der deutlich gelöster als beim von den Privaten vor zwei Wochen übertragenen Erstdurchgang knapp und präzise parierte, um dann seinen Herausforderer direkt anzugehen.

Diesmal schwammen sich alle frei, und erstaunlicherweise machten Schröder und Stoiber den Anfang. Hier und da gelang sogar etwas wie ein echtes Zwiegespräch, und Illner wie Christiansen taten gut daran, den Redefluss der fast identischen Schlipsträger (siehe Kasten) zuzulassen. Und sogar die Sendezeit zu überziehen.

Inspirierend war das kaum, wirklich Neues gab es noch weniger – dafür blieben denn auch die Nachfragen zu zahm. Zu sehr dominierte Sabine Christiansen, die Lesebrille schwingend, das Moderationsduo. Maybrit Illner kam so nicht ganz zum Zug – vielleicht wäre hier mehr zu holen gewesen. Und doch stellte sich nicht die große Langeweile ein wie beim ersten Duell-Versuch. Wieder guckten im Sendungsdurchschnitt rund 15 Millionen Menschen zu – interessanterweise mit einem ähnlichen Splitting wie am 25. August: Damals lag RTL mit 9,38 Millionen Zuschauern deutlich besser als Sat.1 (5,46 Millionen). An diesem Sonntag verfolgten nach Berechnungen der Medienforscher von Media Control 10,90 Millionen das Duell in der ARD – und lediglich 4,36 Millionen beim ZDF. War das nur die „Gnade des ersten Knopfes“ auf der Fernbedienung (ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender)? Oder doch ein Hinweis darauf, das beim Zweiten die Reformen des Informationsbereichs auf halber Strecke stecken geblieben sind?

Mäßige Analysen

Die anschließenden Analysen jedenfalls überboten sich hier (ARD) wie da (ZDF) und dort (RTL) im engagierten Durchschnitt. Ein „Lehrstück für die politische Kultur in Deutschland“, die der Generaldirektor des Europäischen Medieninstitutes, Jo Groebel, im TV-Duell ausmachte, war es nicht. Ein Stück Politkultur wird es aber bleiben: Den „neuen Stil in Deutschland“, meinte zu Beginn der zweiten Runde Edmund Stoiber, dieses „Stück Amerikanisierung“ werde man wohl bei „keiner Bundestagswahl“ mehr los – und sah dabei gar nicht so unglücklich aus.

Der älteste Kanal der Welt liegt übrigens nicht bei Eberswalde, sondern entstand im 5. Jahrhundert v. u. Z. in China.

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