: Deutsche Justiz unter FBI-Verdacht
Amerikanische Behörden werfen ihren bundesdeutschen Kollegen nach Sprengstoff-Fund „Schlamperei“ vor. Terrorismusverdacht gegen das festgenommene Paar aus Walldorf soll seit Juli bekannt sein. Einzeltätertheorie wird bestätigt
aus Frankfurt HEIDE PLATEN
Nicht näher genannte amerikanische „Sicherheitskreise“ sollen schwere Vorwürfe der „Schlamperei“ gegen die deutschen Ermittlungsbehörden erhoben haben. Die US-Bundespolizei FBI habe bereits im Juli darauf hingewiesen, dass in der Wohnung eines am Donnerstag in Walldorf bei Heidelberg festgenommenen Paares gefährlicher Sprengstoff lagere. Polizei und Staatsanwaltschaft in Baden-Württemberg hätten mit dem Zugriff zu lange gezögert.
Die Heidelberger Staatsanwaltschaft bestätigte gestern, dass Landeskriminalamt und Verfassungsschutz erst am 5. September eingeschaltet wurden. Oberstaatsanwältin Elke O’Donoghue erklärte jedoch, das Verfahren habe sich verzögert, weil eine zur Vernehmung in Mannheim geladene Zeugin nicht erschienen sei. Sie habe erst Ende August vernommen werden können.
Der 24-jährige Osman P. und seine 22-jährige US-amerikanische Freundin Astrid E. waren wegen Verdachts der Vorbereitung eines Sprengstoffattentats festgenommen worden. In ihrer Wohnung waren 130 Kilogramm Chemikalien zur Herstellung von Schwarzpulver, Metallhülsen für Rohrbomben und zum Zünderbau geeignete Elektronikbauteile sichergestellt worden. Schwarzpulver wird aus Kaliumnitrat, Holzkohle und Schwefel hergestellt. Aus den beschlagnahmten Rohstoffen, so die Ermittlungsbehörden, hätten ungefähr 20 Kilogramm Schießpulver gemixt werden können. Allerdings sollen die Rohre für den Bombenbau nicht wirklich geeignet gewesen sein, haben Ermittler dem Stern verraten – wieso Baden-Württembergs Innenminister Thomas Schäuble (CDU) bei seiner Darstellung des geplanten Terroranschlags von fünf fertigen Bomben sprach, ist daher unklar.
Schäuble bestätigte jedoch auch die Darstellung von Bundesinnenminister Otto Schily, der erklärt hatte, es handle sich bei den beiden Personen wohl um „Einzeltäter“ ohne Verbindungen zum internationalen Terrorismus oder zum Netzwerk von Ussama Bin Laden. Der bayerische Amtskollege Günther Beckstein (CSU) dagegen hatte am Wochenende ein „noch aufzuklärendes Netzwerk“ vermutet. Er forderte Bundesanwalt Kay Nehm auf, die weiteren Ermittlungen zu übernehmen. Nehm reagierte gestern verhalten. Die Prüfung des Falles dauere an.
Inzwischen hat sich die Familie von Osman P. zu Wort gemeldet. Der Vater erklärte, sein Sohn sei nie islamischer Fundamentalist gewesen und habe mit Terrorismus nichts zu tun. Die Großmutter sagte türkischen Medien, ihr Enkel habe „schon als Kind gerne mit Sprengkörpern gespielt“. Osman P. arbeitete im Lager einer Karlsruher Chemiefirma, seine Freundin als Zivilangestellte an der Kasse des Supermarktes PX auf dem Gelände des europäischen Hauptquartiers der Nato und der US-Armee in Heidelberg. Zur Festnahme der beiden war es nach Hinweisen einer Arbeitskollegin der Frau gekommen. Sie hatte ihr geraten, dem Supermarkt fern zu bleiben.
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