: Tony Blair ruft Arbeiter in den Krieg
Appell zum militärischen Handeln gegen Saddam Hussein stand im Zentrum der Rede des britischen Premierministers vor dem britischen Gewerkschaftstag. Ein bedingungsloses Nein zum Krieg gegen den Irak lehnten die Delegierten vorher schon ab
von DOMINIC JOHNSON
Der britische Premierminister Tony Blair ist gestern in die Offensive gegen die innenpolitischen Kritiker seines Irak-Kriegskurses gegangen. In einer Rede vor dem Gewerkschaftstag in Blackpool sagte er, es sei unabdingbar, gegen das „barbarische Regime“ Saddam Husseins vorzugehen. „Seit die Taliban weg sind, ist das Regime Saddams ohne Rivale das schlimmste Regime der Welt“, sagte er und machte deutlich, dass Saddam entwaffnet werden müsste und man dem irakischen Führer nicht trauen könne. Die von Saddam ausgehende Bedrohung „könnte vielleicht noch nicht diesen oder nächsten Monat ausbrechen und uns begraben. Vielleicht nicht einmal dieses Jahr oder nächstes. Aber irgendwann wird sie es tun. Und ich will es nicht auf meinem Gewissen haben, dass wir von der Bedrohung wussten, sie kommen sahen und nichts taten.“
Blair stellte die UNO in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. „Saddam hat 23 UN-Verpflichtungen gebrochen“, sagte er. „Es ist richtig, durch die UNO zu handeln.“ Der Irak-Teil der Rede wurde ohne Applaus aufgenommen, während Willkommensgrüße an im Saal anwesende Gewerkschaftler aus Simbabwe und Kolumbien beklatscht wurden.
Am Vortag hatten die Gewerkschaftsdelegierten allerdings einen von Linken eingebrachten Resolutionsentwurf abgelehnt, der einem Krieg gegen den Irak unter allen Umständen eine Absage erteilt. Sie beschlossen stattdessen, einen Krieg nur unter der Bedingung zu billigen, dass die UNO ihn erlaubt. Dies entspricht der derzeitigen UN-zentrierten Linie der Regierungen der USA und Großbritanniens.
Zugleich versprach Blair, vor einer Entscheidung über einen Militärschlag das britische Parlament zu konsultieren. Es wurde vermutet, dass es doch noch eine Sondersitzung des Unterhauses zum Irak vor Ende der parlamentarischen Sommerpause Ende September geben könnte. Die Sitzung könnte Ende kommender Woche stattfinden, wurde von britischen Medien berichtet. Der kriegskritische linke Flügel der Partei hatte in den letzten Wochen wiederholt eine Sondersitzung gefordert, gestützt auf Meinungsumfragen, die auf eine deutliche Ablehnung eines Militärschlages gegen den Irak unter der britischen Bevölkerung hinweisen. Der Abgeordnete Graham Allen hatte sogar mit Planungen angefangen, die Unterhauskammer zu besetzen und eine inoffizielle Irak-Debatte unter Vorsitz des pensionierten Parlamentspräsidenten George Weatherill zu organisieren.
Der Wille Blairs, seine Kritiker zu konfrontieren, ändert jedoch vorerst nichts an deren Kritik. Diese bezieht sich seitens der Gewerkschaften nicht nur auf den Irak, sondern vor allem auf den Privatisierungskurs der Regierung in den öffentlichen Diensten Großbritanniens. Der militante Gewerkschaftsführer Bob Crow schrieb gestern in einem Zeitungsbeitrag: „Heute spricht Tony Blair zu den Delegierten – aber er sollte lieber zuhören. Der Premierminister ist auf der falschen Wellenlänge.“
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