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SPD und Nato im Clinch

Struck setzt Kujat Grenzen: „Immer noch deutscher Soldat“. Müntefering: USA bekommen aus Deutschland nicht nur keine Soldaten, sondern auch kein Geld

BERLIN taz ■ Der verbale Schlagabtausch zwischen SPD-Führung, den Vereinigten Staaten und der Nato in der Irakfrage nimmt an Schärfe zu. Bundesverteidigungsminister Peter Struck kritisierte gestern erstmals öffentlich den Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses, General Harald Kujat, für dessen Aussage, die Nato dürfe „als letzte Möglichkeit militärische Mittel nicht ausschließen“, um den irakischen Diktator Saddam Hussein zu bekämpfen.

„Kujat ist nach wie vor deutscher Soldat“, erklärte Struck. Deshalb sei der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr auch in seiner neuen Funktion als ranghöchster Nato-Militär gut beraten, „wenn er ab und zu mit seinem Minister auch mal redet“. Für die Nato-Spitze sind Strucks undiplomatische Worte ein „offener Affront“, so ein Vertreter des Militärausschusses gegenüber der taz, und nicht durch Wahlkampf zu entschuldigen.

Kujat hatte am Montag in Berlin nach dem Nato-Generalstabstreffen gesagt, für die Durchsetzung der UN-Resolution zur Rüstungskontrolle im Irak müsse Druck ausgeübt werden – einschließlich militärischer Maßnahmen. Auf die Frage der taz, ob außer den USA auch die europäischen Verbündeten militärisch in der Lage seien, den internationalen Terrorismus präventiv zu bekämpfen, antwortete Kujat: „Langfristig müssen die Europäer eine eigene Strategie zur Abschreckung entwickeln.“ Nur Großbritannien, Frankreich und Norwegen hätten bereits Anstrengungen unternommen, das „technische Know-how“ der Amerikaner zu übernehmen.

Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, weshalb die Bush-Administration bislang noch nicht um militärische Unterstützung bei den übrigen 18 Nato-Staaten nachsuchte. Vorerst beschränken sich die Amerikaner darauf, einen Angriff auf den Irak alleine vorzubereiten.

Für einen solchen Ernstfall hat SPD-Generalsekretär Franz Müntefering gestern allerdings ebenfalls klar Stellung bezogen – und die Nato-Führung brüskiert. Müntefering sagte: Das Nein der rot-grünen Bundesregierung zu einer Beteiligung an einer Irak-Intervention heiße „nicht nur, dass wir nicht mit Soldaten, sondern auch, dass wir nicht mit Geld dabei wären“. Deutschland werde auch dann eine Intervention in Irak nicht unterstützen, wenn es ein Mandat der Vereinten Nationen gebe. „Die UNO beschließt nicht, dass alle Völker der Welt da hinmarschieren“, sagte Müntefering. Jedes Land könne diese Frage selbst entscheiden, Deutschland sollte aber „auf keinen Fall beteiligt sein“. Die Bundesregierung werde für ihre Haltung in Europa werben. Und nicht nur dort – Außenminister Joschka Fischer (Grüne), so verlautete aus Regierungskreisen, soll gestern am Telefon mit UN-Generalsekretär Kofi Annan „einig in der großen Sorge um die Entwicklung in Sachen Irak“ gewesen sein. Oberste Priorität müsse weiterhin die Rückkehr der UN-Waffeninspektoren haben.

Die militärisch entscheidende Frage der Nutzung von US-Stützpunkten auf dem Territorium der Bundesrepublik für eine mögliche militärische Aktion gegen den Irak ließ Müntefering allerdings geflissentlich offen. Aus dem Umfeld der Bundestagsgrünen erfuhr die taz, die Militärbasen Ramstein und Frankfurt würden bereits für den Ernstfall hergerichtet. Ein ungewöhnlich reges Treiben sei auf den beiden US-amerikanischen Stützpunkten in den vergangenen Tagen zu beobachten gewesen.

Am Rande der Nato-Tagung hatte der Viersternegeneral Kujat selbst einen Bericht der israelischen Zeitung Ma’ariv bestätigt, wonach Israel den USA bereits die Nutzung seiner Militärstützpunkte genehmigt habe und größere Lieferungen an Rüstungsmaterial erwartet würden.

ROLAND HOFWILER

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