: Skurriles Duell im Südwesten
Im bürgerlichen Steglitz-Zehlendorf kämpft Rechtsausleger Uwe Lehmann-Brauns (CDU) gegen den Ex-Linksabweichler Klaus-Uwe Benneter (SPD) um seine letzte Chance
Ein Wahlkreis, der stock-CDU-schwarz sein müsste, aber 1998 an die SPD ging. Ein CDU-Kandidat, der mit 64 noch in den Bundestag will und fast von seiner eigenen Partei demontiert worden wäre. Ein SPD-Mann, der vor 25 Jahren schon mal Bundespolitik machte, von seiner Partei wegen Linksabweichlertums ausgeschlossen wurde und jetzt für die Sozis den reichsten Bezirk Berlins halten soll. Das Duell zwischen den beiden Rechtsanwälten und Notaren Uwe Lehmann-Brauns (CDU) und Klaus-Uwe Benneter (SPD) ist das skurrilste Duell der großen Volksparteien im Berliner Wahlkampf. Sicher ist in Steglitz-Zehlendorf nur Markus Löning (FDP) im Bundestag, der über die Landesliste der Liberalen abgesichert ist.
22 Jahre saß Lehmann-Brauns im Abgeordnetenhaus, war Fraktionsvize und kulturpolitischer Sprecher, gehörte zu einem CDU-Kreis, dem der damalige Regierende Bürgermeister und Parteichef Diepgen zu liberal war. 2001 war Schluss mit der Landespolitik.
Das Landesparlament hätte er – freiwillig – gerne bereits 1998 verlassen. Schon damals war er CDU-Direktkandidat in Steglitz-Zehlendorf, vorher für die Union das, was Marzahn und Lichtenberg für die PDS sind: 15 Prozentpunkte lag die Union hier 1994 vor der SPD, 1990 gab es sogar eine absolute Mehrheit. Doch Lehmann-Brauns verlor – mit mehr als drei Prozentpunkten Rückstand.
64 ist Lehmanns-Brauns vor zwei Wochen geworden. Andere gehen dann in Rente. „Alter und Jugend sind kein Wert an sich“, ist die Antwort, die er für derartige Nachfragen bereithält. Die „Vollendung meiner politischer Arbeit“ sieht er im Bundestag.
Fast wäre Mitte Juli schon das Ende aller Träume gewesen. Der politisch zerstrittene Kreisverband hatte ihn zwar bereits im Januar nominiert. Doch als Lehmann-Brauns-Anhänger Querelen wieder aufflammen ließen, drohte ihm kurz vor Bewerbungsschluss für die Bundestagswahl eine Neubesetzung. Auf den letzten Drücker entsprach Lehmann-Brauns einem Ultimatum des Landesvorstands, für Ruhe zu sorgen.
Zu links für die SPD
Für Klaus-Uwe Benneter (55) kam der politische Karriereknick schon 1977. Mit 30 Jahren war er gerade Bundesvorsitzender der Jungsozialisten geworden, als Erster aus der so genannten linken Stamokap-Fraktion. Normalerweise ist das ein Karrieresprungbrett – seine Vorgängerin war Heidemarie Wieczorek-Zeul, sein Nachfolger Gerhard Schröder. Doch Benneter war nur ein paar Wochen Chef des SPD-Nachwuchses – danach sorgten die damaligen Parteigranden Helmut Schmidt und Herbert Wehner für seinen Rauswurf wegen „Linksabweichlertums“. Erst 1983, nach dem Ende der sozialliberalen Koalition, wurde Benneter wieder SPD-Mitglied. Ab 1996 war er vier Jahre lang Landesvize der SPD, 1999 kam er ins Abgeordnetenhaus. Um Kandidat in Steglitz-Zehlendorf zu werden, musste er die bisherige SPD-Abgeordnete Renate Rennebach verdrängen, die den Wahlkreis 1998 für die SPD gewann.
Er, der ehemalige Linksabweichler, sieht sich in der SPD in einer unabhängigen Rolle und will diesen Eindruck auch im Wahlkreis vermitteln. In der Fraktion widersetzte Benneter sich einer Abwicklung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin. Dass die rot-rote Koalition diesen Plan aufschob und eine Kommission über mögliche Alternativen nachdenken lässt, schreibt er sich zugute.
Im Abgeordnetenhaus sieht sich Benneter, Chef des Banken-Untersuchungsausschusses, als unabhängigen, respektierten Kontrolleur. Diesen Job will er auch im Bundestag machen. Benneter hat es gar nicht gepasst, dass in Steglitz-Zehlendorf auch die profilierte Kulturpolitikerin Alice Ströver (Grüne) antritt, im rot-grünen Senat Staatssekretärin. Sie könnte ihn in der Mitte Stimmen kosten. „Da habe ich im Vorfeld schon gesagt, dass das nicht unbedingt hilfreich ist“, sagt Benneter.
Die beiden, die den Wahlkreis unter sich ausmachen werden, halten nicht viel voneinander. Ein Satz über Benneter? „Dazu fällt mir nichts ein“, sagt Lehmann-Brauns. Benneter ist da schon direkter und spricht seinem Gegner bundespolitische Qualitäten ab: „Ich glaube, er verwechselt den Bundestag mit der Bezirksverordnetenversammlung.“ Tatsächlich stellt Lehmann-Brauns örtliche Aspekte nach vorne. „Ich sehe mich in einer Schutzfunktion für den Südwesten Berlins“, sagt er – und nennt dabei das Universitätsklinikum Benjamin Franklin und das Schlosspark-Theater. Den Einwand, das seien doch Landesentscheidungen, lässt er nicht gelten. „ Sie können die Leute im Wahlkreis nicht durch abgehobenes Schwadronieren erreichen, sondern nur durch konkrete Beispiele.“ STEFAN ALBERTI
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