: Metzgers jüngstes Gericht
Finanzminister Hans Eichel werde sein Sparziel wohl verfehlen, erklärt der grüne Finanzexperte Oswald Metzger in seiner letzten Bundestagsrede
aus Berlin HANNES KOCH
Bundesinnenminister Otto Schily macht seine Aufwartung als Erster. Bald danach erscheint Exwirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP). Händeschütteln für Oswald Metzger, der als Experte der Grünen für Etat, Steuern und Schulden gestern während der Debatte zum Haushalt 2003 seine letzte Rede im Bundestag hielt. Die Grünen in Baden-Württemberg haben ihm nach acht Parlamentsjahren keinen sicheren Listenplatz mehr eingeräumt.
Nur in den Bänken der eigenen Partei rührt sich erstmal nichts. Der vor Metzger sitzende Fraktionschef Rezzo Schlauch dreht sich halb um und schenkt ihm über die Schulter ein schräges Nicken.
Metzger, ein Grün-Liberaler aus dem Südwesten mit dem Ruf des Deregulierers, hinterlässt intime Feindschaften, die nicht an einer Hand abzuzählen sind. Im Alleinritt ließ er nicht nur Exverteidigungsminister Rudolf Scharping, sondern auch seine eigene Fraktionsführung schlecht aussehen. Den milliardenteuren Kauf der neuen Kriegsflugzeuge vom Typ A400M lehnte Metzger als Hintergehung des Parlaments ab. Der Grünen-Parteichef Fritz Kuhn verübelt ihm noch heute seine öffentliche Kritik, die deutlicher kaum hätte ausfallen können. Metzger war einer der wichtigsten Architekten der rot-grünen Finanzpolitik. Ihm blieb es gestern Vormittag vorbehalten, während der letzten Debatte dieser Legislaturperiode aus grüner Sicht eine Bilanz der vergangenen vier Jahre zu ziehen.
Nicht nur in Metzgers Rede ging es um den Ruf von SPD-Finanzminister Hans Eichel – und damit um eine zentrale Botschaft von Rot-Grün: erst die Sanierung des Haushalts, dann neue Ausgaben.
In der Debatte gehörte Metzger die unabhängigste Stimme – wenn sie auch keine neutrale war: Der grüne Finanzpolitiker ließ keinen Zweifel daran, dass er seiner Partei zusammen mit der SPD eine „zweite Chance“ wünscht.
Das hinderte ihn nicht daran, den Finger in offene Wunden zu legen. Im Gegensatz zu Eichel deutete Metzger an, das Rot-Grün sein großes Ziel wohl verfehle. Mit der Begrenzung des öffentliches Defizits auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie es der europäische Vertrag von Maastricht vorschreibt, werde es wohl nichts. „Wenn es schlecht läuft, sind wir drüber“, so Metzger.
Keine angenehme Schlussbilanz für den Finanzminister. Doch mit der Opposition ging der Grüne weitaus härter ins Gericht. „Bei dem, was Sie wollen, liegen wir bei fünf Prozent“, ätzte Metzger in Richtung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz. Die Aussage war klar: Union und FDP tun zwar immer so, als sie seien sie die Hofwächter einer Null-Schulden-Politik, tatsächlich aber waren unter ihrer Regierungsverantwortung bis 1998 die Schulden zu nie dagewesenen Höchstständen getrieben worden.
Wie die Vertreter der Regierung bemühte auch CDU-Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz nicht das Florett, sondern den Säbel. Die Bundesregierung habe das Land „heruntergewirtschaftet“, ereiferte sich der Oppositionsführer. „Schlusslicht“ in Europa beim Wirtschaftswachstum, nahezu das höchste Defizit von allen Maastricht-Staaten, grandiose Zunahme der Pleiten von Firmen.
„Wenn die Kleinen aufgeben, kommt der Konkursverwalter. Bei den Großen hilft der Kanzler“, spielte Merz darauf an, dass sich die Bundesregierung bei der französischen Regierung für die deutsche Mobilcom eingesetzt hat. Das Telekommunikations-Unternehmen ist gefährdet, weil sich die französische Staatsfirma France Télécom von ihrem Engagement bei den Deutschen zurückziehen will.
Zehn Tage vor der Wahl beharrt die CDU auf ihrem Ansatz, die SPD als haushaltspolitisch inkompetent und unsozial hinzustellen. Die Fortsetzung des Erwartbaren dürfte heute beim Rededuell von Schröder und Stoiber anstehen.
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