: Professioneller von A nach B
Immer mehr Güter werden transportiert, die immer kürzer lagern müssen. Der „Spediteur“ soll deshalb vom „Logistikkaufmann“ abgelöst werden. Die Ausbildungsinitiative ist jedoch umstritten
von TILMAN VON ROHDEN
Jedes Jahr werden über 3 Milliarden Tonnen Güter durch Deutschland transportiert, der Großteil über die Straßen. Im Durchschnitt fährt jedes Inlandsgut rund 113 Kilometer. Logistik ist ein Wachstumsmarkt.
Und mit veränderten Produktionsstrukturen haben sich auch die Anforderungen an die Logistik verändert. Sie wird immer wichtiger und zugleich komplexer. Heute müssen Logistiker auch die Lagerhaltungskosten möglichst gering halten. Ein Markpunkt in dieser Entwicklung war die Ölkrise des Jahres 1973. Da türmten sich bei den Autoherstellern die Pkws auf den Halden und rosteten still vor sich hin. Heute wäre das kaum mehr denkbar, weil im Wesentlichen nur das produziert wird, was bestellt ist: Just in time heißt die Zauberformel. Mit dieser Methode haben sich die Lagerbestände seit 1960 halbiert, das entspricht einem Warenwert von 350.000 Milliarden Euro.
Mit dieser Veränderung sind die Anforderungen an Transport und Logistik wesentlich gestiegen. Das klassische Berufsbild des Spediteurs mit dreijähriger Ausbildung genügt modernen Anforderungen immer weniger. „Sie ist nur noch als Grundlage geeignet. Eine Weiterbildung ist unerlässlich“, sagt Logistikfachmann Eckhard-Herbert Arndt. Denn die Informationstechnologie habe Einzug in die Logistik gehalten. Heute will nicht nur das Gut transportiert sein. „Die Beteiligten müssen zu jedem Zeitpunkt transportbegleitende Informationen haben“, so Arndt.
Das Bundesministerium für Verkehr hat 1999 die Ausbildungsinitiative Logistik ins Leben gerufen, um in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, den Gewerkschaften und der Wissenschaft die Rahmenbedingungen und Kapazitäten für eine verstärkte Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Bereich der Logistik zu verbessern. Das Ziel, so Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD), sei es, „im Dienstleistungsbereich Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Logistik ist ein Zukunftsmarkt von wachsender Bedeutung für ein gut funktionierendes Verkehrssystem und den Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Die Weiterbildungsinitiative solle den dringendsten Bedarf bald decken.
Der Arbeitsmarkt für Logistiker wird von Experten als im Wesentlichen ausbalanciert beschrieben. Für Führungskräfte, von denen laut Hartmut Niederlohmann von der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) nur sehr wenige benötigt werden, wie auch für Logistiker in Industrie und Mittelstand. Nach Angaben der Deutschen Außenhandels- und Verkehrsakademie (DAV), die sich auf die Weiterbildung von Logistikern spezialisiert hat, werden ihr die Absolventen „aus der Hand gerissen“.
Die DAV hat auch die Ausbildungsinitiative Logistik konzipiert, nachdem eine Untersuchung im Auftrag des Verkehrsministeriums ergeben hatte, dass der Arbeitsmarkt aufnahmefähig ist. Nach der Erhebung besteht ein jährlicher Bedarf an rund 10.000 weitergebildeten Logistikern.
Die Ausbildungsinitiative konzentriert sich auf drei Schwerpunkte: berufliche Erstausbildung, Entwicklung von Ausbildungsgängen an Fachhochschulen und Universitäten und Weiterbildung. Fortschritte kann die Initiative, die vom Ministerium praktisch umgesetzt wird, nur in Teilbereichen vorweisen. „In der praktischen Umsetzung des Konzeptes hapert es“, gibt Rolf Achnitz von der DAV zu. An den Hochschulen würden laufend neue und spezialisierte Ausbildungsgänge angeboten. Die Fortbildung funktioniere, auch wenn die angestrebte blühende Weiterbildungslandschaft noch ausstehe.
Die Klemme ist bei der Erstausbildung am drückendsten. Denn insbesondere die mittelständische Wirtschaft leistet Widerstand gegen das kommende Berufsbild des Logistikkaufmanns. Dieser soll den Spediteurkaufmann ersetzen. „Der Wechsel ist Unsinn, denn das bisherige Qualifikationsprofil ist passgenau. Die Logistik muss nicht neu erfunden werden“, rügt Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Der Verband vertritt 15.000 mittelständische Betriebe. Von daher erklärt sich Schmidts Perspektive. Denn der Mittelstand hat andere Interessen als die Industrie.
Kleine und mittlere Unternehmen, so legt es die BGL-Position nahe, suchen in erster Linie in Theorie bewanderte Praktiker. Die akademisch Gebildeten haben es dagegen in diesem Segment schwer. „Denn“, so Schmidt, „die Wirklichkeit ist viel einfacher gestrickt, als es Uni-Absolventen wahrhaben wollen.“ Siemens habe jüngst allen kooperierenden Logistikunternehmen mitgeteilt, dass die Preise auf einen Schlag um 15 Prozent abgesenkt würden. „Das zerlegt den Markt, die Kleinen haben unter solchen Bedingungen keine Chance.“ Es bleiben die Großen, denen die durch die Ausbildungsinitiative vorangetriebene Professionalisierung des Berufsbildes entgegenkommt. Da sage niemand, wir hätten keinen vorausschauenden Verkehrsminister.
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