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Schlachtengemälde und Stahlträger

Das State Department hat mitgeholfen bei der Auswahl der Kunstwerke für den amerikanischen Pavillon auf der Architektur-Biennale in Venedig

Vor lauter Rhetorik um „endlose Gerechtigkeit“ und „War against terror“ hat man in der Argumentation der Bush-Regierung einen Widerspruch bisher gar nicht wahrgenommen. So wurde bei jeder Gelegenheit betont, dass das Attentat auf das World Trade Center ein Angriff auf die westliche Zivilisation – und ihre Kultur war.

Dabei ist es gerade die Kultur, um die sich in den USA der Staat am wenigsten kümmert. Es gibt kaum öffentliche Mittel, und das „National Endowment for the Arts“ hat ein Minibudget, das hierzulande nicht einmal zur Förderung der Theater in Nordrhein-Westfalen ausreichen würde. Keine Frage, Kultur ist in den USA Privatsache. Als Folge des 11. September gibt es nun auch dort Nachholbedarf, will man der Welt zeigen, dass gegenüber den „Mächten des Bösen“ die Freiheit bis in die Kultur hart erkämpft werden muss.

Aus diesem Grund hat sich das „Bureau of Educational and Cultural Affairs“ erstmals bei Präsentation des US-amerikanischen Pavillons auf der Architektur-Biennale in Venedig eingemischt. Zwar gibt es mit Robert Ivy einen Kurator, der für Organisation und Ausgestaltung der Räume in den Giardini verantwortlich war. Doch die Auswahl und Realisierung besorgte Brian Sexton vom State Department.

Das merkt man der Inszenierung an: Selten war eine Veranstaltung der Biennale dermaßen mit Propaganda aufgeladen. Schon zur Pressekonferenz kam die Rede gar nicht erst auf neue architektonische Entwürfe und städteplanerische Bedenken, die angesichts der Katastrophe vom 11. September 2001 durchaus auch in den USA diskutiert worden waren, unter anderem von Mike Davis, Saskia Sassen und Richard Sennett.

Statt sich aber auf deren Analysen zu den urbanen Spannungen als eine Folge der Globalisierung in den Megalopolen zu berufen, wird im US-Pavillon auf Überwältigung im Zeichen der Twin Towers gesetzt. Dafür hat das State Department ein gutes Dutzend großformatig auf Leinwand gedruckte Fotografien vom Ground Zero ausgesucht, die Joel Meyerowitz vom 23. September 2001 bis zur letzten geborgenen Säule am 28. Mai 2002 gemacht hat. Sie zeigen Aufräumarbeiten bei Nacht, erschöpfte Feuerwehrmänner oder zerklüfteten Stahl – so stellt sich die Zeit nach dem Anschlag als fortwährende Apokalypse dar.

Die Fotos mit Titeln wie „Smoke Rising Through Sunlight“ wirken wie Schlachtengemälde, die inmitten der Zerstörung den einfachen Mann als Helden ausmachen. Nicht von ungefähr beschreibt Meyerowitz im Katalog, dass er sich während seiner fotografischen Langzeitstudie durch die Kameraderie vor Ort an die „Great World Wars“ erinnert fühlte, in denen die Soldaten durch „tragedies and victories“ zusammengeschweißt wurden.

Parallel zur Biennale sind die Aufnahmen von Meyerowitz noch in mehreren internationalen Großstädten – auch in Berlin – auf Tour, und man hat den Verdacht, dass mit der Konzentration auf die tatsächlich unglaubliche Beschädigung eine visuelle Eindeutigkeit hergestellt werden soll: als Zeugnis der Anklage.

Nun ist das Geschehen noch immer kaum zu fassen. Der Einschlag der Flugzeuge war, wie Klaus Theweleit es formuliert hat, eine von den Terroristen geplante, mediale Schaltung, „die uns zu Teilnehmern dieser Großinszenierung eines Mordsspektakels machte“ (taz, 11. 9. 2002). Deshalb sind selbst die Fotos von Meyerowitz letztlich nur Nachbilder des einen großen Knalls, der im Fernsehen stattfand. Wie also dem Ereignis ohne Repräsentation beikommen?

Das State Department kennt die Ambivalenz von Bildern, es kennt aber auch die Macht des Faktischen. Vor dem Gebäude liegt ein vier Meter langes Stück Stahl aus dem 80. Stockwerk des WTC, das extra für die Biennale eingeflogen wurde. Es soll die Wirklichkeit von New York den Besuchern in Venedig nahe bringen. „Fassen Sie es an“, forderte Sexton zur Eröffnung, „es ist der einzige reale Gegenstand hier, im Gegensatz zu all den sonst noch ausgestellten Architekturmodellen.“

Doch der nackte Metallschrott ist bereits verplant. Nach Ende der Ausstellung wird er Italien zum Geschenk gemacht, damit das Land aus dem WTC-Souvenir ein Mahnmal errichten kann. In diesem Akt wird dann, zumindest nach dem Willen des Vertreters aus dem State Department, die Solidarität mit den USA festgeschrieben – schließlich bildeten Italiener eine der größten Communities von New York.

Der Vorschlag bringt eine neue Qualität in die Erinnerungspolitik: Wo Gedenkstätten bisher aus selbst empfundener Verbundenheit mit den Opfern gebaut wurden, geschieht es hier auf Anweisung. War die „uneingeschränkte Solidarität“ noch ein aus Mitgefühl erwachsenes Bekenntnis, wird es nun zur operativen Folie unter kulturalisierten Bedingungen. Der Beistand, den die USA von ihren Verbündeten in Europa militärisch erwarten, soll im Mahnmal nun für alle Zeiten sichtbar werden.

Das ist mehr eine Ermahnung als Gedenken. Wie der zerklüftete Stahl vor dem US-Pavillon aufgebahrt liegt, könnte er auch eine Bombe sein. Ein Blindgänger zwar, der das Ziel doch nicht verfehlt hat: als symbolischer Brückenkopf auf dem Weg nach Bagdad. HARALD FRICKE

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