: Arbeitslosen-Märchen
Weder tröstlich noch paralysierend: Ken Loachs„Raining Stones“ Open Air vorm KulturPalast Billstedt
Zwischen Ken Loach und seinem Publikum schien immer ein Vertrag zu bestehen. Der besagte – und viele haben das kritisiert – ein Loach-Film biete bei all der Misere, die er zeigt, stets auch Trost. Zuletzt bestätigte diese These Bread and Roses (2000): Mag der Film auch mit einer Abschiebung enden, noch in dieser Schlussszene kittet er die Risse in der jungen – dafür um so entschlosseneren – Solidarität illegalisierter Arbeiter mit familiärer Liebe.
In drei Wochen startet mit The Navigators Ken Loachs vielleicht pessimistischster Spielfilm. Der schnodderig vorgetragene, die Gruppe im Lachen zusammenhaltende Galgenhumor, mit dem da eine Hand voll Gleisarbeiter die Privatisierung der British Rail und das damit einhergehende Zerschreddern ihrer gewohnten Arbeits- und Lebensverhältnisse begleiten, mag noch an einen vertrauten Loach erinnern. Aber wenn gegen Ende der überwältigende Sarkasmus einem erbarmungslosen Kampf jedes gegen jeden weicht, scheint es, als sei der Vertrag plötzlich gebrochen worden.
Doch der heute 66-Jährige war immer schon sehr erfinderisch darin, das Soziale in seiner vollen Härte darzustellen. Hin und wieder mussten sich die Sachwalter des Pessimismus schon mühen, das verfemte Tröstliche in seinen Filmen noch auszumachen. Vordergründig leicht machte es ihnen Loach 1993 mit Raining Stones, der heute in der Open Air-Reihe „Filmnächte vorm Wasserwerk“ des KulturPalast Billstedt zu sehen ist.
Da stolpern zu Beginn die beiden Arbeitslosen Bob und Tommy einem Komikerpaar gleich beim Schafsklau über eine neblige, sattgrüne Weide. Bobs Versuche, seiner Tochter ein Kommunionskleid zu finanzieren, nehmen immer groteskere und schließlich dramatische Züge an, als er sich in die Hände von Kredithaien begibt. Aber niemals überlässt Loach dabei seine Protagonisten dem Hohn der Zuschauer. Stets behalten sie ihre Würde, und meist ist da noch ein Kumpel, mit dem man beim Bier im Pub über sich selbst lachen kann.
Beim Happy End des Films allerdings, das vor all dem den Vorwurf der Schönfärberei zu erhärten schien, handelt es sich im Grunde um eine märchenhafte Volte. Ein tödlicher Autounfall in einer Tiefgarage und ein Priester, der es mit dem Gesetz nicht so genau nimmt? Unmöglich. Beruhigend wirkt ein solches Ende nicht. Aber eben auch nicht paralysierend. Wenn überhaupt, dann ist es das, worauf sich Loach und sein Publikum geeinigt haben. Christiane Müller-Lobeck
heute, 20.30 Uhr, Open Air vor dem KulturPalast Billstedt; die „Filmnächte vorm Wasserwerk“ werden fortgesetzt mit Salaam Bombay (Mi), Absolute Giganten (Do), Buena Vista Social Club (Fr), Das Leben ist eine Baustelle (Sa), jeweils 20.30 Uhr
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