So nicht, Koalitionspartner!

Wut kocht bei den Sozialisten hoch, weil immer mehr Sparvorschläge lanciert werden. Heute will PDS-Chef Liebich in der Senatssitzung auf den Putz hauen: „Der Senat muss sich klar äußern“

von ROBIN ALEXANDER

Aus der Finanzverwaltung in die Öffentlichkeit lancierte Sparlisten gefährden den Frieden in der rot-roten Koalition. In der PDS ist der Unmut über die Indiskretionen unmittelbar vor der Bundestagswahl so groß, dass Partei- und Fraktionschef Stefan Liebich heute im Senat auf Klärung drängen wird. Er kommentierte die Sparvorschläge gegenüber der taz: „Hier wird mit dem ganz großen Hammer auf den Sozialstaat geschlagen.“ Dies sei für seine Partei nicht hinnehmbar. Deshalb werde er heute „in der Senatssitzung darauf drängen, dass sich der Senat deutlich zu der Liste äußert“. Meint: Der Regierende Bürgermeister soll klarstellen, dass die kursierenden Sparvorschläge nicht Grundlage seiner Politik sind. Liebich: „Wenn der Koalitionspartner – was ich glaube – nicht für diese Liste verantworlich ist, muss man sich dazu klar äußern.“

Bisher hat Klaus Wowereit nicht zu den umstrittenen Sparvorschlägen Stellung genommen. Senatssprecher Michael Donnermeyer (SPD) erklärte gestern lediglich: „Diese Liste trägt weder die Unterschrift des Finanzsenators noch den Stempel des Senats.“ Liebich ist nicht Mitglied des Senats, nimmt jedoch als Fraktionschef an den Sitzungen des Gremiums teil.

Nachdem bisher nur einzelne Sparvorschläge von dieser Liste lanciert wurden, wird jetzt nachgelegt: Bis zu 300 Einzelvorschläge kursieren in der Öffentlichkeit. Demnach schlage Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) vor, die Zuschüsse für den Tierpark und 25.000 Studienplätze zu streichen sowie mindestens eine Oper zu schließen. Bei der Sozialhilfe sollen weitere Millionen eingespart werden. Auch ist eine Verdopplung der Kita-Gebühren vorgesehen. Die Veröffentlichung ist doppelt bemerkenswert: Eine Woche vor der Bundestagswahl wird den Berlinern ein harter Sparkurs ausgemalt. Und: Betroffen sind vor allem Projekte, die der PDS am Herzen liegen. So sind Kürzungen bei den Programmen „Hilfe zur Arbeit“ und „Hilfen zum laufenden Lebensunterhalt“ geplant. Hiermit sollen Einsparungen von insgesamt 39 Millionen Euro erzielt werden.

Den Wegfall der Zuschüsse für den Ostberliner Tierpark empfinden viele Sozialisten als gewollte Provokation. Für eine Einsparsummen von lediglich 8 Millionen Euro 2003 wird ein Symbol der Aufbaugeneration der DDR aufs Spiel gesetzt. Aus der PDS-Fraktion gab es Stimmen, die von einem „Angriff auf die Psyche des Ostwählers“ sprechen. Nach jüngsten Umfragen wollen nur noch neun Prozent der Berliner bei der Bundestagswahl für die PDS stimmen. Vor vier Jahren lag die Partei noch bei 13,4 Prozent, bei der Abgeordnetenhauswahl im Oktober gar bei 22,6 Prozent.

Die Authentizität der veröffenlichten Sparliste wurde von der Finanzverwaltung nicht bestätigt. „Das so etwas kursiert, ist sehr ärgerlich“, sagte ein Sprecher. Aber: Die veröffentlichten Vorschläge wurden in der Sache nicht dementiert. Es hieß lediglich: „Noch hat der Finanzsenator dem Senat keine Vorschläge unterbreitet.“

Die SPD-Fraktion gab sich überrascht. Fraktionschef Michael Müller nannte das Papier eine „Gruselliste“ und betonte, „dass über die künftige Gestaltung des Haushaltes des Landes Berlin nicht in der Finanzverwaltung, sondern politisch entschieden wird“. Der Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller erinnerte an Vorgänge aus der großen Koalition, „als auch immer wieder solche Listen kursierten“.

Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) betonte, er halte am Ziel von „85.000 ausfinanzierten Studienplätzen in Berlin“ fest. Dies entspräche den Richtlinien der Regierungspolitik. Folgt man der Sparliste, würde die Zahl auf 60.000 reduziert.