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Viele Tropfen auf einen heißen Stein

Die Bundesregierung steckt Milliarden in die Ausbildung arbeitsloser Jugendlicher. Tarifvereinbarungen spielen dabei oftkeine Rolle. Die Gewerkschaften sehen es mit Skepsis, greifen aber nach jedem Strohhalm gegen die Jugendarbeitslosigkeit

von GISELA SONNENBURG

Der ahnungslose Laie staunt: Jusopro und Jump, Quas und QEU sind keine Raumschiffe. Die lustigen Kürzel stehen vielmehr für eine ernste Sache: Für erste Schritte sonst chancenloser Jugendlicher hin zu einer Ausbildung. Die Arbeitsämter wollen mit diesen und anderen Programmen die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Der 18-jährige Andreas zum Beispiel gibt zu, dass er „Mist baute“: Er schwänzte dauernd die Hauptschule, so dass kein Abschluss drin war. Seit vier Wochen sitzt das Ausbund an hibbeligem Temperament morgens pünktlich auf der Schulbank: Andreas ist auf Lehrgang. Drei Monate lang paukt er Grundlagenwissen und Gastronomie beim Berliner „Bildungswerk in Kreuzberg“ (BWK): Lernen fürs Lernen. Die Kosten für die Hinführung zur Berufswelt übernimmt das Arbeitsamt: Dank der Programme mit den Kürzeln, deren ausführliche Schreibweise sogar zuständige Sachbearbeiter oft vergessen.

Rund 500 Millionen Euro gab der Staat 2001 für solche „berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen für benachteiligte Jugendliche“ aus. Derzeit ist der Betrag noch höher: Fast 43.000 Jugendliche durchlaufen Kurse. 60.000 genießen geförderte ausbildungsbegleitende Projekte, etwa ebenso viele werden jahrelang in außerbetrieblichen Lehrwerkstätten ausgebildet. Sie müssen quasi im Trockenen schwimmen lernen.

Am meisten Geld, Kraft und Zeit verschlingt indes Jusopro, das Jugendsofortprogramm: Eine Milliarde Euro wandert seit Ende 1998 jährlich in diesen Topf für Lernwillige. An seinem Unterprogramm Jump können auch Nicht-Benachteiligte, also Schulabgänger mit gutem Zeugnis, teilnehmen, um einen Ausbildungsplatz zu ergattern: Das ist neu und geht aufs Meckern der Vermittler zurück. Die befanden, es sei tragisch, nur schwierige Fälle zu bearbeiten, während Erfolg versprechendere Schulabgänger ebenso hilflos dasäßen.

Mancherorts entstehen zudem spezielle Modellversuche. So vermittelt die Internationale Handelskammer Hamburg Praktikanten an Firmen. Der Staat trägt hier nur die Lohnnebenkosten. „Gute Erfahrungen“ hat damit der Otto Versand gemacht; häufig können Junganwärter später sogar fest angestellt werden. „Hohe Einsatzbereitschaft auf beiden Seiten“ sei jedoch vorausgesetzt, so der Versand.

In Berlin puzzelt Andreas derweil weiter an seiner Benachteiligten-Karriere. Mit Deutsch und Mathe hapert’s, aber er ist motiviert. Sein Ziel: den Schulabschluss nachholen und dann Geld verdienen. Ein Handy hat er schon – sein Besitzer hofft auf einen Job im Verkauf, „zum Beispiel an einer Tankstelle“.

Sein Tischnachbar Frank, sichtlich reifer, weiß: „Man muss sich aber anstrengen.“ Er träumt vom Führerschein – und von einem Beruf, der ihm mehr Spaß macht als die Tischlerei, wo der schmächtige Junge eine Lehre abbrach. Danach war er zwei Jahre arbeitslos. Er würde die Zeit gern zurückdrehen – bis in die Schulzeit. „Ich hatte falsche Freunde“, sagt er: Unter deren Einfluss sei er „ins Aus gerutscht“.

„Die Jugend von heute ist offen und ehrlich“, meint dazu BWK-Ausbilderin Monika Hielscher. Womöglich ist gerade das ein Nachteil: Wo Ausbildungsplätze Mangelware sind, kommt nicht immer gut an, wer Schwächen zeigt. Ein Dank für Ehrlichkeit ist eh nicht gewiss – manchmal ist die Enttäuschung groß.

Da beschweren sich dann Jugendliche, dass sie in Betrieben von oben herab oder gar ausländerfeindlich behandelt werden. Bis zur Schikane gehe das, so die BWK-Frau Helga Gafga – sie schreitet dann ein. Und pocht auf Erfolge: Von 17 Kursteilnehmern fanden jüngst neun eine passende Lehrstelle.

Ob dann aber ein Arbeitsplatz folgt oder Rücklauf in den Qualifizierungspool, steht auf einem anderen Blatt. Staatlich Geförderte haben keinen Anspruch aufs Tarifrecht, weder bei der Bezahlung noch in Sachen Übernahme: Sie werden von Beginn an ans Hire-and-Fire-System eines amerikanisierten Marktes gewöhnt.

Die Gewerkschaften sind darüber nicht glücklich. Karoline Kleinschmidt, Jugendsekretärin der Berliner IG Metall, sieht auch die Gefahr, „dass die Ausbildungen schlechter werden“. 200.000 fehlende Ausbildungsplätze vermeldet zudem der DGB – oft greife man daher nach jedem Strohhalm, um Jugendliche beschäftigt zu sehen.

Die Angst vor einem ins Asoziale und Kriminelle getriebenen Jungproletariat sitzt vielen zunehmend im Nacken: Sonst würde sich, schätzt ein Beamter, wohl auch gar nichts tun. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller gab sich kürzlich auf einem Unternehmertreffen willig: „Es hätte keine Zukunft, wenn wir unsere Probleme auf Kosten unserer Jugend lösen würden.“ Bleibt Rot-Grün am Ruder, wird das Geld also weiter fließen. Damit aus den Lehrstellen keine Leerstellen werden.

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