piwik no script img

Später Ruhm

In den Dreißigerjahren beginnt Chavela Vargas, am 17. April 1919 in San Joaquín de Flores geboren, in Nachtclubs, Tavernen und Hotelbars von Mexico-Stadt und im Ferienort Veracruz zu singen.

Die illustre Gesellschaft am Golf von Mexiko findet Gefallen an der attraktiven Frau, die die traditionellen und sentimentalen Lieder des Landes noch gefühliger singt und zudem für jeden Scherz und jede Art Anzüglichkeit zu haben ist.

Ein ungewöhnliche Frau, die sich für gewisse Nonkonformitäten nicht zu fein war. Einer der vielen Skandale um Chavela Vargas: Sie trat grundsätzlich in Hosen oder in einem ponchoähnlichen Gewand auf die Bühne. Lieber lehnte sie Engagements ab, als Rock und Pumps anzuziehen.

Die enorme Bandbreite ihrer Stimme, das große Repertoire und die Nuancen, um die ewig südamerikanischen Gefühle von Liebe und Einsamkeit auszudrücken, werden im spanischsprachigen Amerika derart mit ihrer Person verbunden, dass ein tiefempfundenes, gemeinschaftliches Gefühl auf Spanisch nach ihrem Namen benannt wird: chavelazo.

Ihre ersten Plattenaufnahmen in den Fünfzigerjahren sind jedoch keine großen Renner. Erst 1960 hat sie mit der (wie stets) sparsam instrumentalisierten Platte Noches de Bohemia („Nächte der Bohème“) Erfolg. Es folgen weitere Aufnahmen, die sie lediglich von zwei Gitarren begleiten lässt. Zu einer Karriere grandioseren Maßstabs reicht es zunächst jedoch nicht.

Fast zwanzig Jahre – von 1970 bis 1990 – zieht sich Chavela Vargas in ihr Haus in Cuernavaca zurück und vertrinkt ihre Tantiemen und ihren Ruhm. Der spanische Verleger Manuel Arroyo hört Chavela Vargas in einem Club in Mexiko und holt sie 1993 nach Madrid. Mit über siebzig Jahren singt La Vargas zum ersten Mal in Theatern und Konzerthallen.

„Was Chavela Vargas in ihren Lieder ausdrückt, ist schlicht und ergreifend das Leben“, sagt Felipe González, ehemaliger spanischer Ministerpräsident und Freund von Vargas. Vargas’ Freundin Frida Kahlo meinte: „Sie singt Hymnen der Verzweiflung.“ Und Pedro Almodóvar sagte: „Aus einem Konzert von ihr kommst du mit dir selbst versöhnt heraus.“

Der späte Ruhm bringt ihr Auftritte in Paris, in Buenos Aires und in der New Yorker Carnegie Hall. In ihrer Heimat singt sie auf dem prestigeträchtigen Plaza de Zócalo und im Teatro de Bellas Artes der Hauptstadt.

Endlich wird sie auch von Kritikern anerkannt – denen sie plötzlich als respektabel gilt. Besonders gelobt werden ihre 1993 und 1994 in Madrid aufgenommenen Platten. Für eine Zusammenstellung dieser Aufnahmen in Deutschland (bei Tropical Music) erhält Chavela Vargas 1997 den Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik. Neben verschiedenen Preisen, Auszeichnungen und einer nach Chavela Vargas benannten Straße in Alcalá in der Nähe Madrids hat der spanische König Juan Carlos ihr im November 2000 das Gran Cruz de Isabel la Católica, die höchste Auszeichnung des spanischen Staates für nichtspanische Persönlichkeiten, verliehen.

Literatur: Chavela Vargas, „Y si quieres saber de mi pasado“. Aguilar, Madrid 2002, 16,75 Euro UFO

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen