: Nach dem Pinkeln gibt‘s ein Liedchen
„Braucht mein Kind das wirklich?“ Nach einem Streifzug durch „Babykaufhäuser“ steht fest: Ob praktisch, süß oder schlicht überflüssig – an Babyausstattung kann man sich regelrecht bankrott kaufen – man kann es aber auch lassen
Ein Kind kündigt sich an, im Idealfall freuen sich die Eltern auf Klein-Luka oder Marie und haben sogar Zeit, sich um die notwendige Babyversorgungsausrüstung zu kümmern. An einer Grundausstattung geht kein Weg vorbei: Fläschchen und Sauger müssen her, Kleidung kann man sich von der entzückten Verwandtschaft – soweit vorhanden – schenken lassen, von FreundInnen leihen oder auf Flohmärkten erstehen. Ein Schlaf- und ein Wickelplatz müssen eingerichtet werden. Soweit die Pflicht.
Schwieriger wird es bei der Kür: Bei einem Streifzug durch Babyausstattungsläden kann aus dem fröhlichen „Lass uns doch mal gucken, was es gibt“ ein verunsichertes „Braucht unser Kind das wirklich?“ werden. Ist ein „Nasenschleimabsauger“ hilfreich, weil ein so kleiner Wurm sich noch nicht schneuzen kann? Werden die gestressten Eltern eines Tages froh sein, den „Windel Twister“ erstanden zu haben? Immerhin verpackt dieser Spezialwindeleimer jede vollgesch... Pampers einzeln in eine Geruchsverhinderungsfolie und vermeidet damit auch gleich „Schmierereien“, wie der Hersteller auf dem Karton verspricht. Für Baumwollwindeln ist das Ding allerdings vollkommen ungeeignet. Vermutlich kommen StoffwindelverwenderInnen aber auch gar nicht auf die Idee, dass die vollgemachten Mullpakete nicht riechen dürfen.
Als Planschhilfe bietet ein Hersteller den „Daphné-Badesitz“ an, der in blau, weiß, grün oder rot damit wirbt, „freie Hände für die Babypflege“ zu bieten und „rückenschonend für die Eltern“ zu sein. Praktisch? Vielleicht. Nach dem achten Monat ist Klein-Annalena aus dem Teil allerdings rausgewachsen.
Wenn Maximilian schon etwas größer ist und selbst in der Wanne sitzen kann, rettet ihn möglicherweise ein „Augenschutz gegen Seifenschaum“ vor der fiesen Seife-brennt-in-den Augen-Erfahrung. Wie einen zu klein geratenen Schwimmring setzt Max sich das Ding auf den Kopf. Überhaupt, baden mit WindelträgerInnen: Entweder Sophies Eltern sind von der gelassenen Sorte, oder sie legen ihrem Töchterchen „Badewindeln“ zu, die angeblich „nicht auslaufen“.
Beim Windelnloswerden hilft sogar ein „von Kinderärzten und Psychologen empfohlenes“ Spezialtöpfchen. Für Leon bietet das Gerät eine Pinkelanimation: Sobald er sitzt, ertönt ein Plätschergeräusch. Und wenn er‘s geschafft hat und aufsteht, klingt aus dem Töpchen ein Kinderlachen. Anschließend gibt es zur Belohnung 15 Sekunden lang ein Kinderlied zu hören. Ob er später auch ohne Animationsgeplätscher und Liedchen auf die Toilette gehen kann? Oder er sich grundsätzlich beim Klang eines bestimmten Liedes hektisch nach einem WC-Schild umsieht? Wenn Sarah dem Töpfchen entwachsen ist, kann sie mit dem „Toilet Trainer“ auf das „richtige“ WC klettern. Das ist eine Art Trittleiter mit Zusatz-Klobrille dran. Vielleicht hat Sarah aber auch Eltern, die ihr aufs Klo helfen.
Ulrike Bendrat
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