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Hmp, hmp, tschh, hmp, hmp, tschh

Oldschool, Alter, und maximum respect! Im Icon fand die erste offizielle Deutsche Human Beatbox Meisterschaft 2002 statt. Gesucht wurde der beste HipHop-Performer in Sachen Lautmalakrobatik, gewonnen hat Zeero aus Berlin

Rahzel! Biz Markie! Die Fat Boys! Die Augen der vor dem Icon versammelten Kids glänzen erwartungsvoll. Heute Abend soll hier mit einem Contest eine ganz besondere Disziplin des Hiphops alter Schule gefeiert werden. In den 80er-Jahren war die Zungenkunst der Human Beatbox neben der Dreifaltigkeit Breakdance, Graffiti und Rap sehr beliebt. Unter Zuhilfenahme aller im Mundraum befindlichen Werkzeuge und eines Mikrofons erzeugen Human-Beatbox-Artisten ganze Rap-Songs. Rhythmus, Bassline, Scratch-Geräusche, Melodien: Alles nur mit dem Mund.

Beim Beatboxing sind nicht nur technische Präzision, sondern vor allem Originalität und Witz gefragt. Wer vorne steht, muss das Publikum mit überzeugender Pantomime begeistern. In den technikorientierten 90ern geriet Human Beatboxing in Vergessenheit, man begeisterte sich eher für elektronische Klangerzeugung mit teuren Geräten. Doch seit ein paar Jahren scheint eine gewisse Sehnsucht nach Echtheit in der Hiphop-Szene eingekehrt zu sein.

Die erste Deutsche Human Beatbox Meisterschaft im Icon wird daher mit Spannung erwartet. Praktizierende nationale Beatbox-Artisten wie Maxim, Bina oder Beatbox Bindo bilden die kompetente Jury, organisiert hat das Battle die Berliner Lokalgröße Bee Low. In der Schlange im Hof des Icon steht der Berliner Hiphop-Nachwuchs und zeigt schon mal, wie’s gemacht wird. „Hmp, hmp, tschh, hmp, hmp, tschh“, zischt es aus allen Ecken und wird von Rufen wie „respect, Alter!“ begleitet.

In der Vorrunde haben sich per Internet 21 Teilnehmer angemeldet, wer zum Schluss übrig bleibt, bekommt ein Mikro und, noch wichtiger, „massive respect“ von den Zuschauern. Viele Ladys mit großen Ohrringen stehen in der Schlange, sie sorgen für das Extra an Showeinlagen, das nur durch einen ordentlichen Schuss Testosteron entstehen kann. Die Stimmung erlahmt bald, denn die Veranstalter sind dem Massenansturm nicht gewachsen – über eine Stunde müssen sich die Kids draußen quetschen, bevor sich die Menge in die Gewölbe des Clubs ergießt.

Das Geschehen auf der Bühne, mit DJ Hype, Jury und Moderator Bee Low, kann man nur mit Mühe verfolgen: Der Raum ist überfüllt und stickig, die Akustik miserabel, da hilft die Videoübertragung in den großen Raum nur bedingt. Bei diesen Bedingungen haben es die Wettbewerbsteilnehmer schwer, zum Publikum durchzudringen. Nur bekannte Melodien wie „Star Wars“ oder „Guantanamera“ sorgen für allgemeines Hallo, ansonsten verteilen sich die Besucher auf Bars und Chill-out-Zonen und halten sich mit Kiffen und Biertrinken bei Laune. Schade eigentlich, dieser Contest hätte spannend werden können.

So aber tröpfelt es dahin: Bee Low nennt alle Kandidaten „my man“ und fordert „maximum respect“ für alle. Die Jury flüstert gewichtig ihre Punktwertungen und DJ Hype macht den Pausenfüller zwischen den Durchgängen. Erst beim Halbfinale geht es mehr zur Sache, als der Berliner Publikumsliebling Zeero und der Hamburger King Löhrm mit spektakulären Tricks antreten.

Eindeutiger Doppelsieger für beste Performance und beste Show ist Zeero. Anders als bei vielen Hiphop-Contests gibt es im Icon keinen Streit, Zeero geht mit zwei nagelneuen Mikrofonen mit dem „maximum respect“ aller Beteiligten von der Bühne. Wahrscheinlich liegt es daran, dass nach viereinhalb Stunden „hmp, hmp, tschh, hmp, hmp, tschh“ alle völlig ermattet sind. Die einen, weil die Mundwerkzeuge vor Überanstrengung schmerzen, die anderen, weil das Bier irgendwann seine Wirkung zeigt. NINA APIN

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