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Kaiser, Kunststreit

„Wir sind nicht Provinz“: Wie die Kunsthalle in Berlin für ihre Van Gogh-Schau wirbt. Sogar Wilhelm Zwo spielt eine Rolle

Selbstbewusstsein: Bremen als Wegbereiterin der Modernen Malerei

Klappern gehört zum Geschäft von Staatsrätin Kerstin Kießler, die als Bevollmächtigte die Freie Hansestadt Bremen beim Bund in Berlin vertritt. Als Kießler erfuhr, dass die Kunsthalle Bremen im Oktober eine hochkarätige Van Gogh-Schau zeigen wird, zögerte sie nicht, die Gelegenheit zur Eigenwerbung des Landes zu nutzen.

Im Vorfeld der Ausstellung präsentiert die Vertretung der Hansestadt im Berliner Botschaftsviertel ein kleines Schaufenster zur Sammelpolitik der Kunsthalle, welche um 1900 entscheidend dazu beitrug, dass sich die moderne französische Malerei in Deutschland durchsetzte.

Den Bremern selbst müsste man die Geschichte nicht erzählen, wie Gustav Pauli, der damalige Direktor der Bremer Kunsthalle, früh und konsequent auf die Avantgarde setzte – auf Pissarro, Manet, Courbet und immer wieder auf Van Gogh. 1910 erwarb Pauli „Das Mohnfeld“ des Niederländers für 30.000 Mark – damals der Wert eines neuen Hauses im Bremen –, und löste damit einen Streit aus. Im „Protest deutscher Künstler“ gegen den angeblich überteuerten Ankauf ausländischer Werke, von Franz von Stuck und Käthe Kollwitz als einzige heute noch bekannte Namen unterschrieben, gipfelte die Kontroverse.

Dem Hauptstadt-Publikum, das sich jetzt im Foyer der Landesvertretung in Originaldokumente dazu vertiefen kann, will Kießler beweisen, dass „wir nicht Provinz sind“. Kunsthallen-Direktor Wulf Herzogenrath fügt hinzu: „Wir möchten das kleine, feine Selbstbewusstsein demonstrieren, dass wir zwischen 1900 und 1914 nicht nur ein Mitstreiter, sondern ein zentraler Wegbereiter für die Akzeptanz der modernen Malerei waren.“

Der Streit um das „Mohnfeld“ sei bis heute beispielhaft für das Ringen um Avantgarde-Kunst und habe sich in Anfeindungen gegen den Ankauf deutscher Museen von Picasso oder Beuys später wiederholt.

Die Dokumentation erinnert, wie eng Pauli mit legendären Herolden der modernen Kunst, wie dem damaligen Direktor der Berliner Nationalgalerie, Hugo von Tschudi, und der Galerie Cassirer, zusammenarbeitete. Tschudi lieh Pauli 1906 die ersten beiden Van Goghs für eine Ausstellung. Der damalige Katalog verzeichnete die Gemälde freilich als private Leihgaben, denn Kaiser Wilhelm hatte den Ankauf seinerseits noch nicht genehmigt.

Gegenüber den Vitrinen mit alten Katalogen, Kritiken, Preis- und Namenslisten hängt eine Schautafel zu Bremer Sammlern wie Alfred Walter Heymel, Bertha Biermann und das Ehepaar Wolde, die Pauli unterstützten. Drei Gemälde des vom Niederländer phasenweise stark beeinflussten Bremer Malers Rudolf Tewes präsentieren sich leuchtend und unruhig.

Ab dem 19. Oktober wird die Kunsthalle rund 50 Originalgemälde Van Goghs zeigen. Viele Leihgaben stammen von großen internationalen Museen und Sammlern, und wenigstens 150.000 Besucher müssen die Schau besuchen, damit sie sich lohnt – also auch die Berliner.

Henrike Thomsen

Bis zum 25. Oktober in der Bremer Landesvertretung, Hiroshimastraße 24 (Tiergarten)

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