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Menschenjagd in Abidjan

Schwere Kämpfe in der Elfenbeinküste. Zahl der Toten steigt in die Hunderte, rund 40.000 Menschen sind obdachlos. Präsident Laurent Gbagbo ruft zum Krieg auf. Frankreich verstärkt seine Truppen

von DOMINIC JOHNSON

Zu tausenden haben sich gestern Einwanderer aus Burkina Faso in Abidjan, der Wirtschaftsmetropole der Elfenbeinküste, auf die Flucht gemacht, nachdem regierungstreue Einheiten der Gendarmerie begonnen hatten, Einwandererviertel der Stadt systematisch in Brand zu stecken. Flüchtlinge im Stadtviertel Agban berichteten, Gendarmen hätten ihnen am Samstagfrüh zehn Minuten gegeben, ihre Hütten zu verlassen, und sie danach angezündet. Zahlreiche Menschen hätten ihren Besitz verloren. Die Botschaft von Burkina Faso sprach von 4.000 zerstörten Häusern und bis 40.000 Menschen, die jetzt obdachlos seien.

Das ist nur eine Facette der Menschenjagd, mit der die Regierung der Elfenbeinküste nach der Niederschlagung eines angeblichen Putschversuchs am Donnerstag gegen ihre Gegner vorgeht. „Abidjans Straßen voller faulender Leichen“, titelte am Samstag die regierungstreue Zeitung Fraternité Matin. Unabhängige Quellen schätzen die Zahl der Opfer bei den seit Samstag andauernden Kämpfen auf mindestens 270. Das Haus des wichtigsten Oppositionsführers, Alassane Dramane Ouattara, wurde in der Nacht zu gestern vom Militär zerstört.

Ouattara, der in den Augen radikaler Elemente in der Regierung aus Ausländer aus Burkina Faso gilt, hatte sich am Donnerstag zunächst in die Residenz des deutschen Botschafters und dann in die Botschaft Frankreichs geflüchtet. 100 bis 200 Soldaten aus Frankreich landeten gestern früh in Abidjan, wo bereits 600 französische Soldaten stehen. Offiziell sollen sie europäische Ausländer schützen.

In einer Fernsehansprache nach seiner Rückkehr aus Italien hatte Staatspräsident Laurent Gbagbo am Freitagabend von „Krieg“ gesprochen und gesagt: „Ein für alle Mal müssen wir wissen, wer wer ist und wer was will. Auf die eine Seite müssen wir jene stellen, die für die Demokratie und die Republik sind, und auf die andere Seite die, die gegen die Demokratie und die Republik sind. Lasst die Schlacht beginnen!“ Die mehrfach angekündigte Regierungsoffensive gegen die von rebellierenden Militärs gehaltenen Provinzstädte Bouaké und Korhogo blieb derweil aus. Stattdessen wurde aus diesen Städten gemeldet, die Meuterer verteilten Waffen an das Volk. Einem Bericht zufolge versuchten sie am Samstag, aus Bouaké in das 100 Kilometer entfernte Yamoussoukro vorzudringen, die offizielle Hauptstadt der Elfenbeinküste. Die Mobilisierung zum Bürgerkrieg wurde am Samstag von Präsidialberater Toussaint Alain um eine internationale Dimension ergänzt. „Auswärtige Kräfte unterstützen die Terroristen“, sagte er AFP. Er sprach von „Söldnern“ und einem „Schurkenstaat in der Region“. Zuvor hatten Regierungsmitglieder den nördlichen Nachbarstaat Burkina Faso ins Visier genommen. Es könnte aber auch der westliche Nachbar Liberia gemeint sein, dessen Präsident Charles Taylor derselben Ethnie angehört wie der am Donnerstag getötete angebliche Drahtzieher des Putschversuchs, Exdiktator Robert Guei.

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