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Der 18 %-Kater

Zum vorerst letzten Mal gelang es Jürgen W. Möllemann gestern, sich in den Mittelpunkt zu stellen

Bisher hatte sich Westerwelle seine Autorität als Parteichef nur geborgt

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

Würde er zurücktreten oder nicht? Bis gestern Mittag gelang es Jürgen Möllemann, sich selbst zu einem spannenden Thema zu machen. Doch dann musste er das Unausweichliche vollziehen: Er gab als stellvertretender FDP-Parteivorsitzender auf. Schon am Wahlabend hatte das Präsidium der Liberalen „einstimmig“ gefordert, dass er sein Amt zur Verfügung stelle. Möllemann hatte eine Bedenkzeit von einem halben Tag verlangt.

Doch eigentlich gab es gar nichts zu bedenken. Die Mobbingsignale aus der liberalen Parteispitze waren eindeutig. Westerwelle zeigte sich gestern „fest entschlossen“, Möllemann „in seine Schranken zu weisen“. Der Vize hatte kurz vor der Wahl ein Flugblatt verteilen lassen, mit dem er auf antisemitische Stimmen zielte.

Mit seinem freiwilligen Rückzug hat Möllemann den Liberalen weitere Komplikationen erspart. Denn anders als bei Ministern ist es nicht möglich, die Amtsträger von Parteien zu entlassen. Sie müssen abgewählt werden. Die FDP hätte also einen Sonderparteitag einberufen müssen, um Möllemann zu entthronen. Die Konkurrenzparteien werden bedauern, dass es zu diesem Schauspiel nicht mehr kommt. Wochenlang hätten die Medien über eine zerstrittene FDP berichten können.

Allerdings hat Möllemanns Rückzug aus der Parteispitze nicht viel zu bedeuten. Sein Stammland ist Nordrhein-Westfalen, wo er Parteivorsitzender ist und die liberale Landtagsfraktion anführt. Ob er auch dort entmachtet wird – das wollten die örtlichen Gremien erst gestern Abend entscheiden. Westerwelle drohte seinen Besuch an.

Vor Ort sind die Meinungen geteilt. Möllemanns Rücktritt „reicht nicht“, forderte der Kölner FDP-Vorsitzende Reinhard Houben gegenüber der taz. „Amokläufe können wir uns nicht leisten.“ Auch FDP-Landesvize Andreas Pinkwart plädierte für einen „Generationswechsel“; er gilt als einer der möglichen Nachfolger Möllemanns. Doch der will von einem Rücktritt nichts wissen: „Ich beabsichtige auch weiterhin, den größten und erfolgreichsten Landesverband der FDP zu führen.“

Und er genießt durchaus Unterstützung. „Aufgrund des signifikant besseren Ergebnisses in Nordrhein-Westfalen verbietet sich eine Diskussion um den Landesvorsitz“, erläuterte der FDP-Landtagsabgeordnete Schultz-Tornau der taz. Und auch Landes-Vizin Ulrike Flach will erst einmal die Wahl „gründlich zu Ende analysieren“. Schließlich war das FDP-Ergebnis in Nordrhein-Westfalen mit 9,3 Prozent deutlich besser als der Bundesdurchschnitt von nur 7,4 Prozent. Möllemann forderte daher gestern auch prompt „eine umfassende und ehrliche Analyse aller Ursachen des enttäuschenden Wahlergebnisses“.

Schließlich war es nicht allein seine Idee, ein Projekt 18 samt Kanzlerkandidat auszurufen. Westerwelle hat nur zu gern dabei mitgewirkt, den FDP-Wahlkampf auf seine Person zuzuschneiden. Sein Strahlen im Guido-Mobil war echt. Es hieß aus gutem Grund nicht Mölli-Mobil.

Viele Liberale, Prominente und Fußvolk, haben das Projekt 18 immer für Größenwahn gehalten. Aber sie schwiegen. Schließlich wollten sie die Wahl nicht gefährden. Und es erleichterte sie auch, dass Westerwelle so siegessicher seine eigene Person inszenierte. So viel eitle Freude – die konnte doch nicht grundlos sein.

Diese Zweifler werden sich nun melden. Ganz leise fingen sie damit schon am Wahlabend in der Berliner Parteizentrale an. „Weniger Spaß, mehr Inhalte“, forderten sie, während sie in die Nusspralinen bissen, die mit dem Konterfei von Westerwelle verziert waren. Sie waren es leid, „alles immer locker zu sehen“.

Westerwelle weiß, dass Widerstand drohen könnte. Also beschwört er seine Partei seit zwei Tagen, „auf Kurs“ zu bleiben. Die „Strategie der Unabhängigkeit“ sei doch erfolgreich gewesen. Aber war sie das? Man wird sehen, wie lange die Liberalen in Niedersachsen dabei bleiben, für die Landtagswahl im Februar keine Koalitionsaussage zu treffen.

Viele Liberale haben das Projekt 18 schon immer für Größenwahn gehalten

Westerwelle hat den Machtkampf mit Möllemann vorerst gewonnen. Aber es ist ein gefährlicher Sieg. Solange der Machtkampf währte, hatte er immer einen potenziell Schuldigen, wenn etwas schief lief: Möllemann. Nun ist der FDP-Chef erstmals allein verantwortlich. Liberale Schlappen gehören nur noch ihm. Diese Position hat Westerwelle zwar angestrebt – doch auch erkennbar gefürchtet. Wann immer es parteiintern brisant wurde, hat sich der FDP-Chef nach oben abgesichert: Er rief die liberalen Ehrenvorsitzenden Lambsdorff und Genscher an.

So war es auch am letzten Donnerstag, als Westerwelle nicht mehr gemeinsam mit Möllemann auf der FDP-Abschlussveranstaltung in Bonn auftreten wollte. Das entschied er nicht etwa allein. Es war eine Sprecherin von Genscher, die die Absage an Möllemann bekannt gab.

Trotz aller Zentrierung auf seine Person – tatsächlich hat sich Westerwelle seine Autorität bisher geborgt. Doch schon altersbedingt werden Lambsdorff und Genscher nicht auf ewig als die beiden Parteiweisen auftreten können. Bald wird Westerwelle allein agieren müssen.

Die FDP ist in Aufruhr. Da muss es dringend Kontinuitäten geben. Eine konnte Westerwelle gestern vermelden: Wolfgang Gerhardt wird weiter die FDP-Fraktion im Bundestag führen.

MITARBEIT: PASCAL BEUKKER

meinung SEITE 12

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